Mittwoch, 30. Dezember 2015

"Dann denkst du nicht nach..."

I need not mention the hundred obvious objections to this crude division; [...] or that it is arguing in a circle to prove at the end that religion is inconsistent with science merely by assuming at the beginning that it is inconsistent with truth.1
Diese Stelle zu lesen hat mich an ein Erlebnis meinerseits erinnert. Es begab sich vor beinahe drei Jahren, als ich im Matheleistungskurs saß, und einem meiner Mitschüler mein Halskette auffiel. Nun sollte man wissen, dass ich seit meiner Firmung eine Halskette mit einem irischen Kreuz trage, wobei ich damals normalerweiser sorgsam darauf achtete, es unter dem Kragen meines T-Shirts verschwinden zu lassen. Das sollte sich einige Monate später ändern, das tut hier aber nichts zur Sache.
Auf jeden Fall bemerkte er es und stellte mir unvermittelt die Frage, ob ich an Gott glaube, was ich bejahte.
"Hm. Ich habe dich eigentlich für intelligenter gehalten."
Auf meine Frage, was er damit genau meine, antwortete er:
"Wer an Gott glaubt, braucht keine Wissenschaft, da er ja für alles Gott hat."
Nun halte ich meine Überzeugungskraft heute noch für alles andere als überragend, man mag sich also rechnen, wie desolat es um diese Fähigkeit vor mehreren Jahren stand. Meine Versuche, Gegenargumente zu bringen, waren wohl dementsprechend dürftig. Trotzdem versuchte ich irgendwie klar zu machen, dass Gott zum Beispiel auch das Prinzip ist, das die Rationalität der Welt garantiert. Dies wurde kategorisch abgelehnt, denn kritisches Nachdenken sei nicht mit Gott vereinbar. Prinzipiell. Wieder und wieder versuchte ich, zumindest ansatzweise verständlich zu machen, dass Gott eben kein Lückenbüßer sei, doch diese Erklärungen drangen überhaupt nicht durch. So blieb mir nur noch das Ende des Gespräches im Gedächtnis:
Ich: "Man fragt sich, wer dabei unkritisch ist."
Er: "Offensichtlich du."


1G.K.Chesterton, in Collected Writings Volume III, p. 378

Dienstag, 29. Dezember 2015

Pardon, ich bin Christ

Manchmal kann ich neue Titel überhaupt nicht ausstehen. "Sinn und Sinnlichkeit" von Jane Austen wird bei mir diesen Namen behalten, obwohl auf meiner Ausgabe "Verstand und Gefühl" steht. Ich halte "Schuld und Sühne" für einen charaktervolleren Titel als "Verbrechen und Strafe", obschon dies eine genauere Übersetzung des Originals darstellt, wodurch sich diese Änderung wohltuend von manch anderer abhebt.

Akzeptanz kann ich aber kaum für ein Buch aufbringen, dessen Titel unbeschreiblich gut zum Inhalt passt. Die Rede ist von "Mere Christianity" von C.S.Lewis. Für gewöhnlich habe ich den Titel mit "Christentum schlechthin" übersetzt gesehen, was die Intention des Autors, der die allgemeinen, alle Konfessionen des Christentums vereinenden Gedanken darstellen wollte. Wie heißt die neueste Übersetzung? "Pardon, ich bin Christ". Nicht nur die Aussage des alten Titels wird kaschiert, Herrn Lewis werden auch Worte in den Mund gelegt, die er nie ausgesprochen hätte, denn für ihn gäbe es schlicht keinen Grund, sich für seinen Glauben zu entschuldigen. Dass es sich dabei um eine Anpassung an den Zeitgeist handelt, demzufolge man nichts Konkretes mehr meinen könne, ohne gleich darauf aufmerksam zu machen, man könne es auch anders sehen, ist dabei der letzte Streich.

Montag, 28. Dezember 2015

1984 - George Orwell

It was a bright cold day in April, and the clocks were striking thirteen.1
Als ich von der vernichtenden Kritik Isaac Asimovs am Roman 1984 von George Orwell hörte, entsprang meinen Gedanken ein Bild, in dem ich diesen Werk zu Hilfe eile und es vor diesem Angriff beschütze, schließlich hätte es vor Jahren einen Platz auf der Liste meiner Lieblingsromane verdient. Ernüchterung breitete sich aus, als ich einerseits Asimovs Kritik las und mir andererseits Orwells Roman nach Jahren nochmals gönnte. Erstere ist gut durchdacht und kritisiert viele Punkte, die ohnehin nie mein Lob erhielten, letzterer ist bei weitem nicht so gut, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Im Jahre 1984 gehört London zum Superstaat Ozeanien, in dem die Partei mit eiserner Hand und konstanter Beobachtung ihrer Mitglieder regiert. Winston Smith ist ein Mitglied dieser Partei, der in sich den ersten leisen Widerstand spürt. Dieser wird aber erst konkret, als er Julia trifft...

Die Kritik ist in vier Teilen verfasst, wobei uns der erste nur, welcher einige biografische Notizen enthält, nur am Rande interessiert. Hier entwickelt Asimov die These, Orwell habe lediglich eine persönliche Vendetta mit dem Stalinismus auszutragen. Dazu äußere ich mich, wenn wir mit dieser Kritik durch sind.

Der zweite Teil behandelt den Science-Fiction-Aspekt von 1984. Sein größter Kritikpunkt ist dabei die fehlenden Aspekte, die zu diesem Genre dazugehören. Anstatt eine wirkliche Vision der Zukunft zu liefern, verschiebe Orwell London 1000 Meilen in den Osten und stelle es als Moskau dar. Beispielhaft dafür ist die konstante Überwachung, welche wird über die TV-Geräte sichergestellt wird. Selbst mir ist, wie Asimov, die völlige Ineffizienz dieses Systems aufgefallen. Es mag eine schreckliche Vorstellung sein, aber wem kann man diese Aufgabe einerseits zutrauen (ein der Welt von 1984 völlig fremdes Prinzip), andererseits die physische Belastung auferlegen, denn prinzipiell müsste dieser 24 Stunden Aufmerksamkeit zeigen. Hier ist definitiv die Fantasie mit Orwell durchgegangen. Mit Computern wäre dies noch denkbar, jedoch stellt Asimov klar dar, dass der Autor nie soweit dachte.

Weiterhin kritisiert Asimov - völlig zu Recht - die Charaktergestaltung in 1984. Das Wort Tugend scheine Orwell ein Fremdwort, sodass es ihm nicht gelinge eine Figur zu kreieren, deren Eigenschaften über schwach und schleimig hinausgehen. C.S.Lewis hat diesen Punkt brillant zusammengefasst: "If men were only like the people in 1984 it would hardly be worth while writing stories about them."2

Der dritte Teil behandelt die Regierung in 1984. Die organisierten Hasstiraden, Big Brother ,kontinuierliche Neuschreibung der Geschichte - all das hält Asimov für unnötig. Zwar ist vieles davon tatsächlich von der Realität inspiriert, das hilft jedoch nur der Argumentation Asimovs, der dabei bleibt, dass Orwell nur Momentanes im Ort verschob. Grundsätzlich kann ich ihm auch hier nicht widersprechen, lediglich seine Gedanken zu Neusprech zeigen, dass er offensichtlich nicht weiß, was Orwell zum Thema klare Sprache in Presseerzeugnissen sagt. So ist Neusprech auch nicht die Methode, die Leute politisch an der Nase herumzuführen, er wird wohl als erstes zugeben, dass es einfacher ist, dies mit vielen und vor allem langen, schrecklich komplizierten zu bewerkstelligen. Der Sprache hingegen soll, im Zuge der Vereinfachung, die Möglichkeit genommen werden, komplexe Sachverhalte auszudrücken. Wenn ich an die Geschichte des Christentums denke, in der in den ersten Jahrhunderte das Problem bestand, mit der bestehenden Sprache völlig neue Sachverhalte auszudrücken, dann sympathisiere ich mit dieser Darstellung, obwohl ihr definitiv das Aufgreifen in der Geschichte selbst fehlt.

Der letzte Teil geht dann auf die von Orwell dargestellte internationale Situation ein und lobt erstmals. Anders als die meisten habe Orwell mit klaren Augen gesehen, dass die Sowjetunion und China im jeden Fall Feinde bleiben müssten. Nach diesem kurzen Lichtblick, findet Asimov auch schnell wieder etwas kritikwürdiges. Die präsentierte Theorie, es müsse konstanten Krieg geben, damit die Ressourcen aufgebraucht werden, scheint Asimov ebenso sozialistisch inspiriert, wie die Beschreibung der Welt in "High, Middle and Low". Ebenso unüberzeugend findet er diese Theorien damit auch und heute stimme ich ihm zweifellos zu. Die kleine Passage, die den "ewigen Krieg" als notwendig beschreibt, ist, in Asimovs Worten, tatsächlich lachhaft. Mir persönlich ist dabei im Kopf geblieben, wie Winston an einer Stelle zweifelt, ob überhaupt Waren hergestellt werden, was den Ressourcenverbrauch leicht überflüssig machen würde.

Alles in allem sind die Kritikpunkte Asimovs gut konstruiert und treffen, wie ich leider zugeben muss, den Kern des Ganzen. 1984 wird gerne als ein Meisterwerk dargestellt, das für den kritischen Geist eintritt. Leider habe ich heute das Gefühl, Orwell war eher ein Anhänger der Theorie, man sei kritisch, wenn man einen bestimmten Gedanken bejaht. Folgendes Zitat finde ich in diesem Zusammenhang äußerst ironisch: "The best books, he perceived, are those that tell you what you know already."3 Jemanden, der Mortimer J. Adler als Lehrer ansieht, welcher klar jene den Geist erweiternden Bücher lobt, schaudert es bei diesem Satz.

Mein wirkliches Problem konnte ich lange nicht in Worte fassen, bis ich diesen Kommentar von C.S.Lewis gelesen hatte:
Thus the short book does all that the longer does. But it also does more. Paradoxically, when Orwell turns all his characters into animals he makes them more fully human. In 1984 the cruelty of the tyrants is odious, but it is not tragic; odious like a man skinning a cat alive, not tragic like the cruelty of Regan and Goneril to Lear.4
Wenn ich nun zurückdenke, welche Passagen wirklich prägend waren, auch als junger Leser, bleiben nur wenige übrig, doch sie bleiben. Die philosophische Diskussion um die Existenz der Vergangenheit führt zwar zu dämlichen Konsequenzen dieses Regimes, bleibt an sich aber ein nettes Gedankenspiel. Die Ehrlichkeit O'Briens in Bezug auf die Ziele des Regimes ist so erschütternd wie erleuchtend. Die Folter Winstons mit der Intention, ihn fünf statt vier Finger sehen zu lassen, wurde zu Recht von anderen aufgenommen, so von Star Trek und Babylon 5. Wenige Lichtblicke, doch möchte ich sie nicht missen, wobei mir heute die fehlende Qualität von 1984 nur zu schmerzlich bewusst ist.


1George Orwell, 1984 p.3
2C.S.Lewis, 'George Orwell', in C.S.Lewis, 'On Stories and other Essays on Literature' p.104
3George Orwell, 1984 p.208
4C.S.Lewis, 'George Orwell', in C.S.Lewis, 'On Stories and other Essays on Literature' p.103

Sonntag, 27. Dezember 2015

Zitat am Sonntag

Gegenüber all den Sexual-, Pastoral- und Strukturthemen, die innerkirchlich mit Ausdauer diskutiert werden, scheint mir das Hauptproblem tatsächlich völlig aus dem Blick zu geraten: Die Menschen glauben nicht mehr an Gott, geschweige denn an Jesus Christus! Doch darüber wird de facto nicht geredet. Und die Theologie fällt als Argumentenlieferant leider weitgehend aus. Als ich in der Münchner theologischen Fakultät einen Vortrag über mein Gott-Buch hielt, waren die Studenten sehr angetan, doch einige Professoren fanden das, wie mir zu Ohren kam, zu "missionarisch". In der Zeitschrift "Lebendige Seelsorge" wurde mein Gott-Buch positiv rezensiert, allerdings wurde kritisch angemerkt, dass der Autor sich am Ende zu christlichen Glauben bekenne. So etwas ist die Überführung der Theologie in Religionswissenschaft.
Manfred Lütz, in Die Tagespost vom Samstag, 12. Dezember 2015, S. 14

Donnerstag, 24. Dezember 2015

Weihnachten

"1. Christus ist geboren für die Menschen alle, und zum Heil erkoren, ruht er in dem Stalle. Hoch vom Himmel dringt ein Klingen, hört die Engelchöre singen: Gloria, gloria, gloria, in excelsis Deo.
2. Hirten bei der Herde weckt des Engels Kunde: Friede sei der Erde, Freude dieser Stunde! Mit den Hirten lasst uns springen, mit den Engeln lasst uns singen: Gloria, gloria, gloria, in excelsis Deo."


Damit wünsche ich allen meinen Leser ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest!

Nach den Weihnachtstagen sollte es dann auch wieder mit regelmäßigen Blogposts weitergehen.

Sonntag, 20. Dezember 2015

Zitat am Sonntag

"Die Kirche wird in vielerlei Weise sichtbar: In der karitativen Tätigkeit, in den Missionsprojekten, im persönlichen Apostolat, das jeder Christ im eigenen Umfeld durchführen muss. Der Ort jedoch, an dem man sie in ganzer Fülle als Kirche erfährt, ist die Liturgie: Sie ist der Akt, in dem wir glauben, dass Gott in unsere Wirklichkeit eintritt und wir ihm begegnen können, ihn berühren können. Sie ist der Akt, durch den wir in Berührung kommen mit Gott: Er kommt zu uns, und wir werden von ihm erleuchtet. Wenn wir bei der Reflexion über die Liturgie unsere Aufmerksamkeit also nur darauf richten, wie wir sie anziehend, interessant, schön gestalten können, laufen wir Gefahr, das Wesentliche zu vergessen: Die Liturgie wird für Gott gefeiert und nicht für uns selbst; sie ist sein Werk; er ist das Subjekt; und wir müssen uns ihm öffnen und uns von ihm und von seinem Leib, der Kirche, leiten lassen.
 Benedikt XVI.: Liturgie: mit der Kirche beten, Generalaudienz am 03. Oktober 2012, zitiert aus Benedikt XVI., Zeit für Gott - Die Kraft des Gebetes S. 205

Samstag, 19. Dezember 2015

Kurzkritik: Die Känguru-Trilogie - Marc-Uwe Kling

Wie immer, wenn es einen Hype gibt, bin ich lächerlich spät dabei, eigentlich schon nach Abebben des Hypes. Die Känguru-Trilogie wird aber von allen Seiten empfohlen, sodass ich mich damit auf einmal versuchen wollte. Allerdings gibt es dazu nicht allzu viel zu sagen, sodass ich mich kurz halte.

Wer sich einige Stunden unterhalten lassen möchte, wird mit diesen drei (Hör-)Büchern nicht schlecht beraten sein. Lustig und humorvoll sind sie allemal, obwohl ich definitiv zugebe, Schwankungen wahrgenommen zu haben. So ist es möglich einige Tracks ohne eine Miene zu verziehen zu hören, während daraufhin aus dem Lachen kaum mehr herauskommt. Weiterhin empfehle ich unbedingt dazu die Hörbücher, denn viele der Lacher hängen stark mit der Darbietung zusammen. Alleine der Kontrast zwischen dem quietschig-schrillen Känguru und dem resigniert weltmüden Kleinkünstler Marc-Uwe machen den Großteil des Humors aus.

Oftmals wird angemerkt, die Känguru-Trilogie habe einen gewissen Tiefgang in ihrer Kapitalismuskritik, was nicht ganz falsch ist, aber auch, wie der Humor selbst, teilweise überlappen sich diese Aspekte, als schwankend von mir empfunden wurde. Es wechselt schlicht zwischen fundierter Kritik und plakativen sozialistischen Argumente, womit man sich dann schon eher bei Brecht ahnt. Zumindest muss ich dem Autor zugestehen, eine gewisse Ironie in diese Kritik mit einfließen zu lassen, beispielsweise wenn das Känguru einen Obsthändler vom Kommunismus, und damit von der Abschaffung des Privateigentums, überzeugen möchte, dies jedoch nur unternimmt, um einen Apfel ohne Zahlung zu erhalten. Fraglich bleibt natürlich, inwieweit diese Ironie mit eingeplant ist.

In einem Aspekt hätte diese Ironie definitiv geholfen, und zwar den Sketchen auf Kosten der Religion. Ich kann man an einen aus dieser Kategorie erinnern, der ein Schmunzeln provozierte, während der Rest nur für ein Verdrehen der Augen ausreichte. Hier hat man es wirklich mit der plakativen sozialistischen Kritik eines Brecht zu tun.

Insgesamt handelt es sich freilich um lustige Hörbücher, allerdings sollte niemand - auch nicht zwischen den Zeilen - die große Kritik des Kapitalismus erwarten, dafür fehlen schlicht die Argumente. Ansonsten habe ich damit ganz schöne Stunden verbracht, sollte ich die Hörbücher aber demnächst in meine Anlage einwerfen, wird das mehr mit deren angenehmen Kürze als deren Qualität zu tun haben.

Samstag, 14. November 2015

Kurzkritik: William Shakespeare's Star Wars - Ian Doescher

William Shakespeare's Star Wars ist eine dramatische Bearbeitung der Star Wars - Filme von Ian Doescher. Die Prämisse ist dabei sehr einfach: Was wäre wenn, William Shakespeare diese Filme als Dramen geschrieben hätte, wobei die Charaktere und die Handlung selbst unberührt bleiben?

Nachdem ich erstmalig über diese Bücher gestolpert bin (damals waren es nur die Bücher der Original-Trilogie), dachte ich, es handle sich um pseudointellektuelle Bücher, die auch den letzten Saft aus der Marke ziehen wollen. Bereits eine kurze Lektüre der Leseprobe sollte mich eines Besseren belehren. Wenige Zeilen verrieten mir, dass Ian Doescher nicht nur ein Star Wars-Fan ist, sondern vielmehr noch mit dem Barden bestens vertraut ist. So passt nicht nur das Versmaß, es macht genauso großen Spaß, die etlichen Anspielungen auf verschiedene Werke des großen englischen Schriftstellers zu finden. Ich war schon versucht, die entsprechenden Fundstellen zu notieren, muss aber zugeben, dass ich dazu selbst noch die restlichen Werke Shakespeares lesen müsste. Dabei sind diese mal offensichtlicher wie "Alas, poor Stormtrooper" (Hamlet; V,1), andere, wie die an "Romeo und Julia" angepassten Reimschemata zwischen Han und Leia, sind subtiler.

Wer also für beide Materialien ein gewisses Faible besitzt, wird nicht enttäuscht, kann dabei auch beobachten, wie der Autor an seiner Aufgabe wächst. Mehr und mehr Spielereien traut er sich zu, sodass stylistisch gesehen die Episoden I-III ein wenig interessanter und verspielter sind, was sie auf dieser Ebene überlegen macht. So rettet er nicht nur einige kleinere Kontinuitätsfehler zwischen den beiden Trilogien - und das durch kurze Gespräche -, sondern verwandelt auch beispielsweise die "Opern"-Szene aus "Die Rache der Sith", im Film bereits eine grandiose Szene, in ein Feuerwerk an Brillanz.

Faszinierenderweise hatte ich kurz vor der Lektüre eine Feststellung gemacht. Während Dramen, gerade klassische, stark an der 5-Akt-Struktur, ob streng oder nicht, orientiert sind, halten sich moderne Werke vielmehr an die 3-Akt-Struktur. So wirkte das Finale früher als Auflösung einer Reihe von Verwicklungen, die im Zuge der vorangegangenen Handlung entstanden sind, und hält sich im Allgemeinen eher kurz. Heutzutage ist das Finale selbst elementarer Bestandteil des Werkes und nimmt einen viel größeren Raum ein und muss über sich selbst Schauwerte liefern. Im Kontrast zwischen Drama und Film fiel mir das besonders auf und es freute mich, in meiner Beobachtung bestätigt zu werden.

Damit verbleiben wir und ich freue mich jetzt nicht nur mehr auf  "Das Erwachen der Macht" selbst, sondern auch die Bearbeitung durch Ian Doescher, der bewiesen hat, dass er auch aus schwächeren Filmen durch Verwendung manch eines Tricks gute Dramen zaubern kann.

Sonntag, 8. November 2015

Let's Dance

In den letzten Wochen ist es bei mir zur Gewohnheit geworden, um 20.00 Uhr jeden Freitag die polnische Ausgabe von Dancing with the Stars anzusehen. Dabei sind mir einige Gründe eingefallen, warum ich diese Sendung, deren Finale nächste Woche ausgestrahlt wird, viel lieber sehe als das deutsche Pendant.

Man kann es drehen, wie man will, aber nichts ändert sich daran, dass Let's Dance immer noch von RTL produziert wird, wodurch sich entsprechende Makel einschleichen. Zum Beispiel ist es unerträglich, wie die Sendung jede Woche aufs Neue künstlich in die Länge gezogen wird. So muss man immer bis 23.00 Uhr warten, damit man die Auflösung präsentiert bekommt. Gerade das Bestimmen des ausscheidenden Paares ist einfach lächerlich. Stattdessen bringt die polnische Variante die Sache angemessen innerhalb von zwei Stunden über die Bühne. Die Momente des Wählens sind kurz und schmerzlos.
Weiterhin sind die Kandidaten deutlich sympatischer. Meistens schafft es Let's Dance akzeptable Kandidaten zu finden, hin und wieder trifft man aber auf die eine Person, welche keine Kritik annimmt und letztlich die Atmosphäre der Sendung vergiftet. Soweit ich das beurteilen kann, umgeht die polnische Variante das irgendwie vollständig.
Selbst die Juroren sind schlicht und ergreifend besser. Alleine die unkomplizierte Punktevergabe, die in Polen relativ schnell und ohne Drumherum erfolgt, während in Deutschland eine Stimme aus dem Off noch groß den Namen des Jurors ankündigt, wartet, bis die Lichter auf ihn oder sie gerichtet sind und dann um die Punktzahl bittet, lässt diesen Eindruck entstehen. Aber auch die Kommentare sind geistreicher. Bei Let's Dance wartet man für gewöhnlich auf Joachim Llambi, damit überhaupt ein gehaltvoller Kommentar zustande kommt. Jorge Gonzales und Motsi Mabuse sind zumeist nur als Dekoration in der Jury, wobei ich gleich dazusage, dass ich mich an eine Sendung in diesem Jahr erinnere, in der die beiden teilweise bessere Kommentare abgegeben haben als Herr Llambi. Solche Abgrenzungen muss ich bei Dancing with the Stars gar nicht machen, denn alle vier haben etwas für gewöhnlich etwas sinniges zu sagen und können das auch vernünftig kund tun.

Nimmt man all das zusammen entsteht der Eindruck einer professioneller produzierten Sendung mit einer insgesamt besseren Atmosphäre. Über die Qualität der Tänze konnte man sich dieses Jahr bei Let's Dance glücklicherweise nicht beschweren, festzuhalten ist aber, dass man definitiv die Präsentation der Sendung noch verbessern kann.

Freitag, 6. November 2015

Der Dunkle Turm 2: Drei - Stephen King

 Mach nicht den Fehler und schenke ihm dein Herz. Guter Rat. Du hast dir selbst geschadet, indem du freundschaftliche Gefühle für diejenigen gefasst hast, denen letztlich geschadet werden musste.
Bedenke deine Pflicht, Roland. 1

Weiter soll es nun auf unserer Reise zum Dunklen Turm gehen. Für mich bewegen wir uns noch auf vertrautem Gebiet, schließlich gehörte Drei (engl. The Drawing of the Three2) zu den beiden Romanen, die ich vor Jahren schon einmal las. Interessanterweise veränderte sich nichts an meiner Einstellung zum eigentlichen Inhalt des Romans, jedoch fiel mir dieses Mal stärker auf, was eben nicht da ist.

Roland erwacht nach dem langen Palaver mit dem Mann in Schwarz, wozu er anscheinend zehn Jahre gebraucht hat. Nachdem ich doch schon etwas weiter in der Reihe bin, wundert mich diese Zeile überhaupt nicht mehr. Es gehört zu einer der Eigenschaften von Mittwelt, eine fürchterlich komplexe Geographie und Zeit aufzuweisen. Insofern sind diese zehn Jahre Schlaf schon beinahe verständlich. Auf jeden Fall geht er am westlichen Strand entlang, denn der Walter, der Mann in Schwarz, hat ihm seinen folgenden Weg weis gesagt: Er wird drei neue Mitstreiter, ein Ka-tet, "ziehen". Mit diesen muss er sich auf die Reise zum Dunklen Turm machen.

Bevor er aber überhaupt zur ersten Tür gelangt, schockt King den Leser gewaltig. Roland trifft auf die  durchgängigen Antagonisten des Romans: die Monsterhummer. Das mag sich jetzt dämlich lesen, jedoch gelingt es King, uns die Furcht vor ihnen zu lehren - im Prolog des Romans. Normalerweise vertrauen Autoren es sogenannten "Red-Shirts" an, diesen Effekt zu erreichen. Das Prinzip ist nicht nur auf "Star Trek" zu beschränken, es kommt allgemein immer dann zum Einsatz, wenn ein Autor eine Gefahr deutlich machen möchte, seinen Hauptfiguren aber gerne verschont, diesen sollen schließlich die Handlung an sich tragen. Stephen King wirft das ganze über Bord und lässt den ersten Hummer sogleich Roland zwei Finger seiner rechten Hand verspeisen (und ein wenig von seinem Fuß). Damit muss der Revolvermann die gesamte Länge des Romans fertig werden, erhält auch am Ende kein Deus ex machina, bleibt bis auf weiteres in dieser Hinsicht eingeschränkt. Zu allem Übel schein der Hummer mit einem Gift ausgestattet zu sein, das Roland schwer krank werden lässt.

Diese Art der Konsequenz zieht sich - bisher - durch die ganze Reihe und lässt den Leser spüren, dass er nicht einfach nur einer Reise beiwohnt, diese hingegen eine klare Auswirkung auf die Charaktere hat. Also hat er mich innerhalb von zehn Seiten schon gewonnen, Glücklicherweise gibt auch der Rest diese Qualität her - meistens zumindest.

So erreicht Roland, schwer angeschlagen, die erste Tür mit der Aufschrift "Der Gefangene". Dahinter verbirgt sich der Kopf von Eddie Dean. Das mag sich seltsam lesen, ist aber völlig korrekt. Wieder einmal applaudiere ich der Kreativität von Stephen King. So absurd das im ersten Moment klingt, schafft er es doch, eine überraschend intelligente Geschichte daraus zu stricken. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Roland dem Betrachter von Eddies Sinnen und ihm als Handelnden, sollte er "nach vorne" kommen. Er kann Eddies Gedanken als Enzyklopädie verwenden, ihn mit Gesprächen beeinflussen, etc. In dieser Hinsicht ist der Roman überraschend gut ausgearbeitet und es macht schlicht Spaß, Roland dabei zu beobachten wie er mit dieser, für ihn ebenfalls neuen Situation umgeht.

Auf dieser Ebene habe ich keinerlei Beanstandungen, wobei hierbei auch der flotte Erzählstil sein Übriges tut. Hält man nun inne und reflektiert über das Gelesene ein wenig, kommt man leider nicht umhin, das ein oder andere festzustellen. Zuerst der Titel: Der Gefangene. Hintergrund soll sein, Eddie sei ein Gefangener des Heroins. Bis auf wenige Momente wirkt sich das aber wenig bis gar nicht auf seinen Charakter aus. Vielmehr scheint es darum zu gehen, ihm irgendeinen Hintergrund zu geben, in den Roland einsteigen kann. Nur wenige Entzugserscheinungen nach diesem kleinen Abenteuer deuten aber auf seine "Gefangenschaft" des Heroins hin.

Weiterhin widerstreben mir in diesem Teil der Geschichte zwei verschiedene Aspekte, die sich gegenüberstehen. Einerseits der eigentliche Verlauf der Handlung, die schon viel früher hätte beendet werden können - ohne Zoll, ohne Polizei, ohne Schießerei. Andererseits der geniale Gebrauch dieser letztlich "nutzlosen" Taten für die Charakterisierung Eddies und Zementierung der Beziehung zwischen Eddie und Roland. So ist es zwar für die Figuren, wie der Autor sie zeichnet, notwendig, den Tod Eddies wahrzunehmen, um den letzten Schritt deutlich zu machen und Eddie durch die anrückende Polizei keinen Ausweg zu lassen, die Handlung braucht aber ab dem Moment, da Roland sowohl Medizin als auch Essen besitzt, nicht mehr fortlaufen.

Das wird nochmals im nächsten Teil, "Die Herrin der Schatten", klar. Ohne großes Federlesen verlässt Roland unsere Welt wieder, sodass der folgende Plot mehr in Mittwelt stattfindet. Dabei handelt es sich hierbei um eine kohärentere Geschichte, die ganz schlicht ein Problem behandelt: Wie kommen wir zur nächsten Tür? Odetta/Detta braucht keinen großen Hintergrund im Sinne eines Plots, in den Roland eingreift, ist sie doch mit ihrer gespaltenen Persönlichkeit Plot genug. Lediglich die Auflösung enttäuscht ein wenig, da hier mehr Gedanken dahinter stecken, als wir zu Gesicht bekommen.

Im dritten Teil um Jack Mort wird das Tempo nochmals deutlich erhöht. Der Revolvermann entschließt sich - nicht ohne Konsequenzen (in tot.) -, Jake zu retten. Dann benutzt er Morts Körper, um einerseits Munition und andererseits Arzneimittel zu ergattern. Die Spannung wird hier unerträglich, das aber im Guten Sinne und Roland hat auch gute Gründe, so lange in unserer Welt zu verweilen. Leider zielt das Ganze auf die Vereinigung von Odetta und Detta zu Susannah ab, welche mich, wie gesagt, wenig überzeugte, sodass dieser starke Teil an einem etwas seltsamen Punkt enden muss. So scheint King selbst verwirrt zu sein, schließlich bezeichnet er Susannah als die dritte "gezogene" Person, obwohl jedem Leser diese Lesart wie Quatsch vorkommen muss, da alleine Odetta und Detta, wenn man denn nun so zählen möchte, zwei Plätze eingenommen hätten. Der nächste Band beweist das dann auch, wodurch King seine eigene Beschreibung etwas ad absurdum führt.

Beim ersten Lesen liebte ich diesen Roman für seine schnelle Erzählung und einfangende Atmosphäre. Beim zweiten Mal, mit der Hilfe der Reflexion, fällt mir zunehmend auf, dass Stephen King eigentlich fast alle Fehler aus "Schwarz" wiederholt. Wir haben immer noch keine Ahnung, wie die Welt Rolands aufgebaut ist, der Turm ist wie Rolands Heroin, allerdings bleibt er gestaltlos. Nicht einmal eine epische Geschichte ist ihm dieses Mal gelungen. Trotzdem würde ich Drei empfehlen, denn er schafft, was in "Schwarz" noch unausgegoren war: Der Autor erzählt eine gute Geschichte. Zwar sind mir viele kleine Schrammen aufgefallen, letzten Endes ist die Erzählung aber gut genug, dass man über diese hinwegsehen kann, lediglich die Nachbereitung deckt sie auf. Mit guter Hoffnung kann man nach vorne blicken, denn wir sind dem Turm wieder ein Stück näher gekommen.

1Stephen King, Drei S. 119
2Mal ernsthaft: Was ist mit diesen Übersetzungen los? Wenigstens sind wir dieses Mal nahe dran, beim ersten Band (Schwarz = The Gunslinger?) war das schon grenzwertiger. Der Höhepunkt folgt natürlich noch.


Mittwoch, 4. November 2015

Harry Potter und der Stein der Weisen - J.K. Rowling

Harry, du bist ein Zauberer.1
 Jetzt ist es schon fast zwei Jahrzehnte her, dass "Harry Potter und der Stein der Weisen", Teil 1 dieser bekannten und erfolgreichen Reihe, auf dem Buchmarkt erschien. Letztlich handelt es sich beim gigantischen Erfolg dieser Bücher um ein Phänomen, welches nie zur Gänze erklärt werden kann. Jeder Versuch einer Erklärung ist notwendigerweise eine Simplifikation. Sicherlich gehörte ein gewisses Timing zum Erfolg der Bücher, jedoch wäre es höchst zweifelhaft, nur daran ihre Beliebtheit auszumachen. Bücher sind nicht einfach nur irgendeine Ware, deren Gewinn sich zur richtigen Zeit erwirtschaften lässt, dahinter steht stets eine etwas größere Vision, welche im diesen Fall abertausende Leser fesseln und begeistern konnte. Deswegen will und kann ich in dieser Hinsicht gar nichts anbieten. Allerdings ist es mir möglich, meine eigenen Erfahrungen mit diesen Werken zu vermitteln, vor allem nachdem ich erst vor Kurzem die gesamte Hörbuchedition spottbillig erstehen konnte - zumindest im Vergleich zum Preis der damaligen CD-Version.

"Harry Potter" ist die Geschichte des gleichnamigen, völlig normalen Jungen, der an seinem elften Geburtstag einerseits erfährt, er sei ein Zauberer, und andererseits eine absolute Berühmtheit in der Zaubererwelt darstelle, denn er habe den bösen Zauberer Lord Voldemort zu Fall gebracht - wobei sich keiner so genau erklären kann, wie er das zustande gebracht hat.

Die Autorin erwähnt gerne, sie habe die Reihe so angelegt, dass der Leser zusammen mit den Figuren wachse. Nachdem ich die Bücher zum x-ten Mal wieder einmal gehört habe, ist mir dabei etwas interessantes aufgefallen. Stilistisch ist diese Aussage völlig korrekt. Die Art und Weise, wie Konflikte und Themen angegangen werden, war definitiv einem Reifungsprozess unterworfen. Jedoch ist es faszinierend, dass die grundlegenden Themen - Umgang mit Tod und Macht - bereits im ersten Band mit voller Wirksamkeit entfaltet werden. Schon im Umgang mit dem Stein der Weisen scheiden sich die Geister an diesen Themen, wird die Linie zwischen Gut und Böse dadurch gezogen: Während Quirrell, angeleitet von Lord Voldemort, die Welt in "Macht und jene, die zu schwach sind, um nach ihr zu streben"2, aufteilt, stellt Dumbledore als ideologischer Gegenpunkt die Liebe über alles3. Ebenso ist es Voldemort, der den Stein benutzen will, um "ewiges" Leben zu erlangen, während laut Dumbledore "der Tod für den gut vorbereiteten Geist nur das nächste Abenteuer ist"4. Dabei schafft es Rowling tiefstes Verlangen mit diesen beiden Aspekten in der Gestalt des Spiegels Nerhegeb5 zu verbinden, welcher dadurch zu einem meiner liebsten magischen Artefakte wurde, der sich zurecht neben dem Teufelsspiegel aus Andersens Die Schneekönigin stellen lassen kann.  Neben anderen Dingen scheint mir vor allem das der Kern zu sein, welcher eine faszinierende Reife der Bücher suggerierte.

Weiterhin schätze ich Rowling vor allem in stilistischer Hinsicht. Neben dem detaillierten Universum, welches sie aufbaut, scheinen gerade die Nebenfiguren immer mit erstaunlich viel Leben gefüllt zu sein. Andere Autoren scheitern schon daran, ihrer Hauptfigur eine Persönlichkeit zu geben, während Rowling es schafft, eine ganze Klasse vor den Augen des Lesers erstehen zu lassen. Das hängt für mich auch mit den präzise gewählten Namen zusammen, die schon beinahe in Tolkienscher Manier auf die Figur selbst schließen lassen. So stört es auch nicht, wenn die Autorin viele Aspekte ihrer erdachten Welt aus anderen Werken und vor allem der klassischen Mythologie entnommen hat, da ihre Welt auf einer ganz anderen Ebene, der menschlichen, definitiv lebendig wirkt.

Wer Fehler finden will, findet sie leider auch am ehesten in diesem Band. Typischerweise für den Beginn einer Reihe, krankt Stein der Weisen an den Fehlern einer Einleitungsgeschichte. Mehr noch als in allen anderen Bücher muss vieles eingeführt werden, damit die Geschichte später wirklich losgehen kann; einiges davon bearbeitet dazu auch noch die Muggelwelt, also die nicht-magische, wodurch noch mehr der Eindruck einer gewissen Langatmigkeit entstehen kann. Der Stil ist noch etwas naiver, sodass Langleser schnell die ein oder andere Diskrepanz entdecken.6 Letzten Endes soll das aber keineswegs von der Qualität und den starken Aspekten des Romans ablenken und keinerlei Problem macht das Buch wirklich kaputt.

Höchstens eines könnte ich nennen, welches mir schon als sehr junger Leser beziehungsweise Hörer missfallen ist. Harry, Hermine, Draco und Neville erhalten eine Strafarbeit, die darin besteht, mit Hagrid den Verbotenen Wald nach einem verletzten Einhorn abzusuchen. Sie finden es und dazu noch eine Gestalt, die das Blut des Tierwesens trinkt. Nachdem der Zentaur Firenze Harry vor der Gestalt rettet, möchte er ihm die Implikationen klar machen. Wer ein so reines Tier wie das Einhorn tötet und dessen Blut trinkt, wird am Leben bleiben, führt jedoch fortan ein verfluchtes Leben. Weder hier noch im weiteren Verlauf der Reihe, obwohl selbst einige abwegigere Fragen beantwortet wurden7, erhalten wir eine Antwort, es wird nicht einmal mehr weiter erwähnt. Ich habe immer noch das Gefühl, dass ursprünglich etwas etabliert wurde, was Rowling verwerfen musste oder selbst verworfen hat, für den Leser bleibt leider nur noch diese Leerstelle.

So bleiben noch zwei weitere Medien zu besprechen. Die Hörbücher mit Rufus Beck sind mittlerweile legendär und man kommt nicht umhin, eigentlich sämtliche anderen Hörbücher auf dem Regal an diesem zu messen. Jede Figur erhält ihre eigene Stimme - das ist kein einfacher Werbespruch, der Verlag wurde davon dazu inspiriert, ein Quiz zu veranstalten: aus den verschiedenen Hörbüchern wurde Sätze genommen und man musste denen die entsprechenden Figuren zuordnen - und es war machbar. Wer also mehr als nur das monoton vorgelesene Hörbuch haben möchte, sondern ein Hörspiel ohne Effekte, der ist mit Rufus Beck gut beraten, den man, ich spreche aus Erfahrung, auch ganze zehn Stunden am Stück hören kann.

Kommen wir zur Verfilmung mit Chris Columbus als Regisseur. Auch hier mag man inhaltlich sagen, was man möchte. Insgesamt ergibt sich für mich ein stimmiges Bild mit einem beachtlichen Schauspielensemble und einem unbestreitbaren Charme, der es sogar schafft, irgendwie diese Naivität passend auf die Leinwand zu bringen. Die Atmosphäre war in den ersten vier Teilen noch unverkennbar und verrät nicht zuletzt durch die Musik und die Sets stets einen Potter-Film.

Alles in allem darf man sich also ruhigem Gewissens dem ersten Band der Harry Potter - Reihe nähern. Ein starker emotionaler und tiefsinniger Kern ist hierbei von einer fein ausgearbeiteten Welt umgeben, sodass eigentlich jeder Leser auf seine Kosten kommen sollte.



1J.K. Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen S.58
2ebd., S.316
3ebd., S.324
4ebd., S.323
5Ich habe übrigens verboten lange gebraucht, um auf die Herkunft dieses Namens zu kommen.
6Mein Liebling wird wohl die Szene sein, in der Snape Harry einen - einen! - Punkt abzieht, und es als riesiges Problem gesehen wird. In späteren Romanen wäre Harry froh sein, würde es sich nur um einen Punkt handeln. Das ist aber auch eher eine Situation zum Schmunzeln.
7Zum Beispiel: "Warum ist der Blutige Baron so blutig?", eine Frage, deren Beantwortung ich nicht für möglich gehalten hätte.

Montag, 2. November 2015

Kurzkritik: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult - Manfred Lütz

Passenderweise ist vor Kurzem ein weiteres Buch dieses Autors erschienen (Wie Sie unvermeidlich glücklich werden), sodass ich aus gegebenen Anlass über das erste reden kann, das ich damals las. Schon lange Zeit wollte ich mir Lebenslust nochmals zu Gemüte führen, ergriff dann die Möglichkeit mit einem billigen Antiquariatsexemplar.

Wer Manfred Lütz liest, wird grundsätzlich auf drei verschiedene Seiten treffen: Den Theologen (z.B. Gott - Eine kleine Geschichte des Größten), den Arzt (z.B. Das Leben kann so leicht sein) und den Psychotherapeuten (z.B. Irre! - Wir behandeln die Falschen). Dabei darf diese Abgrenzung aber nicht allzu streng gesehen werden, immer wieder fließen Aspekte des einen in die anderen Bereiche. Dies merkt man stärksten bei Bluff! - Die Fälschung der Welt, welches als eine Art Synthesen aus seinen ihm eigenen drei Seiten gesehen werden kann.

Hier handelt es sich definitiv um den Arzt, der schreibt, obwohl sich der Theologe auch einschleicht. Für Lütz steht die moderne Sicht der Gesundheit, die Verklärung zum höchsten aller Güter, am Pranger. Dabei geht er in bester Dürrenmattscher Manier vor und lullt den Leser zuerst mit unglaublich lustiger Polemik und Satire ein, damit er auf die ernsten Konsequenzen für Leib und Leben, Ethik und Moral darstellen kann.

Inhaltlich würde ich im Nachgang diesem seiner Werke den Vorzug vor allen anderen geben, zeigt es doch den stärksten Inhalt. Höchstens Gott - Eine kleine Geschichte des Größten kommt noch im Entferntesten dran, allerdings fehlt selbst diesem die persönliche Note, denn es ist zwar eine tolle Darstellung von Argumenten, doch in Lebenslust werden die Konsequenzen für jeden Einzelnen, wie es beispielsweise in den besten Romanen der Fall ist, auf unbeschreibliche Weise klar vor Augen geführt.

Für mich hat das Buch aber noch eine andere Relevanz. Wenn ich daran denke, wie mir mein Katholizismus beigebracht wurde, ließe er sich am besten im Sinne der neuen Übersetzung von C.S. Lewis' Mere Christianity beschreiben: "Pardon, ich bin katholisch"1 Man mag seinen Glauben haben, grundsätzlich hat der aber nichts Positives und eigentlich muss man sich kontinuierlich dafür entschuldigen und rechtfertigen. Manfred Lütz hat mir eine andere Möglichkeit gezeigt, den eigenen Glauben zu sehen, eben mit einem gewissen Stolz. Dieser Stolz ist dabei weit entfernt von Überheblichkeit, bezieht sich viel eher auf eine Tradition der Weisheit, die nicht das Resultat einer einzelnen Person ist, sondern unter Mitwirkung der gesamten Kirche entstanden ist. Vor ca. drei Jahren war das für mich der erste Schritt, meinen Glauben auf diese Weise anzunehmen.

Allein dafür erhält dieses Buch einen speziellen Platz in meinem Herzen. Letztendlich handelt es sich aber auch um eine schonungslose Abrechnung mit dem Gesundheitswesen, oder zumindest dessen neue Manifestation.


1Anstelle der geschickteren und passenderen Übersetzung, schließlich kann ich mir nicht vorstellen, dass Lewis sich für seinen Glauben entschuldigt hätte, von Christentum schlechthin heißt es modernerweise Pardon, ich bin Christ.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Johannes Paul II.

Heute ist der Gedenktag dieses großen Papstes. Gedenken wir ihm im Gebet.

Czas ucieka, wieczność czeka (Zeit flieht, Ewigkeit wartet)

Totus tuus. (Ganz dein)

Dienstag, 20. Oktober 2015

Der Dunkle Turm 1: Schwarz - Stephen King

Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm.

"Der Dunkle Turm" ist eine Romansaga von Stephen King, die mittlerweile acht Bände umfasst. Als grundsätzliche Inspiration nennt King Robert Brownings erzählendes Gedicht "Childe Roland to the Dark Tower Came", wobei etliche Einflüsse aus den Bereichen Western, Fantasy, Horror und Science-Fiction zu erwähnen wären. Der Autor beschreibt es einmal als den Versuch, das beispielsweise durch Clint Eastwood popularisierte Westerngenre mit einer romantischen Fantasywelt zu vereinen.

Bereits vor mittlerweile drei Jahren, einem kleinen Höhepunkt meiner King-Euphorie, welche mittlerweile abgekühlt ist, wagte ich mich an die Sage um den Dunklen Turm. Allerdings kam ich praktisch nie über den zweiten Band hinaus: Meine städtische Bibliothek führte nicht den dritten Teil der Reihe im Sortiment. So ruhte dieses Vorhaben, bis ich vor einiger Zeit die gesamte Sage billig auf ebay fand. Damit soll es mir nun möglich sein, Stück für Stück diese Reihe zu erfahren, ab dem dritten Band wird es für mich ohnehin eine neue Erfahrung sein. Nach dieser kleinen Einleitung beginnen wir mit Schwarz, im Original The Gunslinger.

Roland. Roland Deschain. Das ist der Name unseres "Helden". Ohne großes Federlesen werden wir mit dem oben angeführten Zitat in die Handlung hineingeworfen. Eigentlich muss man auch nicht viel mehr wissen. Freilich, ein wenig mehr steckt schon dahinter, aber damit ist schon das größte Manko des Werkes umrissen: Seine Gestaltslosigkeit. Wir wissen von Anfang an, dass Roland auf der Suche nach dem Dunklen Turm ist. Jedoch werden wir nicht aufgeklärt, was denn dieser Turm eigentlich sei. Unseren ersten Einblick erhalten wir am Ende von Schwarz, wirklich konkrete Anhaltspunkte gibt es erst im Verlauf der Handlung in "tot.". Man mag argumentieren, damit sei das Mysterium um dieses Zentrum gewahrt, was selbstredend stimmt, aber eine gute Handlung zeichnet sich dadurch aus, dass eben solche Dinge etwas konkret sind.

Dabei wäre es sogar gar nicht mal so dramatisch, wenn der Turm weiterhin im Dunkeln bleibt, gälte das nicht auch für die Motive unseres Protagonisten. Warum will Roland den Turm überhaupt finden? Die Beantwortung dieser Frage steht noch in den Sternen, würde aber der Motivation des Lesers bestimmt helfen.

Ähnlich sehe ich auch Rolands Vergangenheit. Immer wieder gibt es kurze Rückblicke, wobei nie ein vollständiges Bild entsteht, lediglich Fragmente blitzen auf, welche zwar besser als irgendein anderer Teil der Handlung zur Charakterisierung Rolands dienen, letztendlich aber unzufriedenstellend bleiben. Dabei könnten diese Einblicke in die Vergangenheit ungemein helfen, ein anderes Manko zu revidieren: die aufgebaute Welt. Hier trifft der Vorwurf der Gestaltlosigkeit am härtesten. Man kann sich schlicht keine wirkliche Vorstellung dieser Welt, "die sich weitergedreht hat", machen. Ist es eine Parallelwelt? Lediglich die Zukunft der unsrigen? Selbst zwei Bände weiter steht man etwas fraglos vor diesen Fragen. So wirken Elemente wie das offensichtlich vertretene Christentum völlig befremdlich, scheinen sie doch gar nicht in diese Welt passen zu wollen.

Vor drei fasste ich diese Gedanken ungefähr so zusammen: Stephen King versucht mit aller Macht eine epische Geschichte zu erzählen - es gelingt ihm einfach nicht. Sein Protagonist Roland bleibt zu blass, zu sehr am Vorbild Clint Eastwood kleben. Seine Welt will keine Gestalt annehmen,  genauso wenig wie seine Handlung.

Ein wenig Auflockerung bringt Jake. Faszinierend finde ich das nur deswegen, weil alles Gute dieses Charakters erst in zukünftigen Bänden realisiert wird. Hier wächst er dem Leser weder als Charakter ans Herz noch scheint sein Erscheinen von großer Bedeutung zu sein, schließlich redet Roland auch von Magie in seiner Welt. Beide Aspekte werden zwar später revidiert, dabei ist aber ironischerweise immer ein Bezug auf diesen Roman vorhanden, sodass sich die Figuren auf eine emotionale Bindung an dieser Stelle beziehen, obwohl dem Leser nichts davon aufgefallen ist. Dies wird nicht die einzige Reihe sein, in dem Folgeromane auf eine Begebenheit Bezug nehmen und diese konsequent weiterdenken, diese jedoch selbst für die Leser alles andere als berauschend war.

Einziger wirklicher Lichtpunkt ist dabei das Ende - völlig untypisch für einen King. An dieser Stelle trifft Roland den Mann in Schwarz, den er konkret die letzten 200 Seiten verfolgt hat, da er einen Schritt auf dem Weg zum Dunklen Turm darstellt. Das darauf folgende Gespräch zwischen den beiden ist hypnotisierend geschrieben und gibt den endlich den ein oder anderen Blick auf die Mythologie des Dunklen Turms. Im Nachhinein betrachtet ist dieser Blick nebulös und vage, frustrierend ist auch das Argument, das Universum sei zu groß, damit sich Gott für uns interessiere. Trotz allem ist man nach dem enttäuschenden Roman ganz froh, dieses "Palaver" zu lesen. Lustigerweise schneidet sich King hier mit seiner Gestaltlosigkeit selbst ins Fleisch. Am Ende stellt sich nämlich heraus, Walter sei der Mann der Schwarz, worauf Roland schockiert reagiert. Wer ist Walter? Ein Mann aus Rolands Vergangenheit. Schockiert uns diese Enthüllung? Nicht wirklich, schließlich haben wir kaum einen Bezug zum fernen Roland, wie sollte uns dann schon Walter etwas angehen.

Alles in allem bleibt Schwarz hinter den Erwartungen zurück und ist letztendlich nur ein mediokrer Roman. Doch lässt sich fragen, ob er seine Rolle nicht allein dann erfüllte, wenn er mich zum Lesen des nächsten Bandes animierte. Zwar konnte ich schon damals wenig mit diesem Werk anfangen, hielt es für unvollständig, aber dennoch las ich weiter. Auch dieses wollte ich mehr erfahren, obwohl ich kein Qualitätswerk vor mir hatte. Vielleicht war das ja der ureigene Sinn von Schwarz. Sei es wies es sei, wir sind dem Dunklen Turm auf jeden Fall einen Schritt näher gekommen.

Sonntag, 18. Oktober 2015

Das Labyrinth der Träumende Bücher - Walter Moers

[Die letzten Wochen war es auf diesem Blog etwas ruhiger. Das ist der Tatsache geschuldet, dass ich in dieser Zeit unter der Woche berufsbedingt nicht zu Hause war, sodass sich alle meine Schreibtätigkeit auf das Wochenende konzentrieren musste. Das funktionierte die erste Woche noch, danach jedoch war es mir nicht mehr möglich, in der kurzen Zeit genug niederzuschreiben, damit der Blog gefüllt ist.]

Passenderweise sollte diese Rezension zum Erscheinen des Buches "Das Schloss der Träumenden Bücher", dem letzten Teil der Buchhaim-Trilogie verfasst werden, nachdem dieses jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben wurde1, kann ich diese Idee getrost vergessen. Stattdessen gehe ich aber auf die Reaktionen ein, die dieser Roman hervorgerufen hat. Obwohl Moers sowohl vom Publikum als auch vom Feuilleton wohlwollend aufgenommen wird, kann man die Rezeption von "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" nur als negativ ansehen, wobei es natürlich auch Ausnahmen gibt. Für mich stellt sich unweigerlich die Frage, ob dieser Roman wirklich so schlecht ist, oder doch die Verteidiger Recht haben.

Ich selbst besitze lediglich das Hörbuch, welches aus zwei MP3-CDs besteht. Das erwähne ich aus einem einzigen Grund: Solange ich nur die erste CD betrachte, fällt mir grundsätzlich, solange ich mich nicht auf die Gesamtkonzeption des Romans beziehe, kein negativer Aspekt ein. Hildegunst von Mythenmetz erhält, in klarer Anlehnung an den ersten Teil, einen Text, der absolut unterirdisch ist, dabei aber seinen eigenen Stil, der in den letzten Jahren aufgrund von Mythenmetz' Stolz und Überheblichkeit mit miserabel noch wohlwollend umschrieben ist, bis ins kleinste Detail kopiert. Letztlich bewegt ihn ein kurzer Satz am Ende dazu, den Autor des Texts, wie schon im ersten Teil, ausfindig zu machen: Der Schattenkönig ist zurückgekehrt.

Wie ich es auch drehe und wende, es bleibt dabei: Dieser Einstieg ist absolut stimmig gewählt. Bewusst bezieht er seine Inspiration aus dem Vorgänger, ohne ihn plump zu kopieren. Zuvor ging es darum, den besten Autor, den Mythenmetz je gelesen hat, zu finden. So konnte er dann selbst das Orm, wie in den Moersen Büchern die wahre Inspiration eines Autors genannt wird, finden. Jetzt muss er es jedoch neu entdecken, wiederfinden. Also wandelt sich seine Expedition in die Stadt der Träumenden Bücher in ein zunehmend persönliches Unterfangen, das mehr der Charakterbildung als allem anderen dient.

Selbst wenn Mythenmetz endlich in Buchhaim ankommt, bleibt dieses positive Gefühl aufrechterhalten. Freilich nimmt sich die Handlung etwas zurück und stellt sich hinter die Beschreibung der Stadt - das geschah auch so im Vorgänger (beispielsweise bei Mythenmetz' ersten Ankommen oder sein Besuch bei den Buchlingen). Es ist aber auch nur natürlich, über Buchhaim Neues zu erfahren, schließlich ist sie uns, zumindest gehe ich bei den Bücherliebhabern davon aus, ans Herz gewachsen und wir haben sie ca. 200 Jahre nicht gesehen. So ist der Leser durch die Beschreibungen des Brandes von Buchhaim am Ende des ersten Bandes von Ovidios ebenso fasziniert, wie Hildegunst vom Autor beschrieben wird. Vielleicht ist Moers im Kapitel "Bibliodies, Bibliodas" etwas zu verspielt, doch kann man hier weder von Langeweile noch von fehlender Kreativität sprechen. Sogar die Fremdenführer, die als einzige auch nur im Entferntesten an den Charme der Buchlinge herankommen, sind mit einer netten Idee bespickt, welches das Kapitel "Alles in Fraktur" im Nu vergehen lässt.

Das Treffen zwischen dem Eydet Hachmed Ben Kibitzer, der Schreckse Inea Anazazi und Mythenmetz war unausweislich und findet bei mir keine Beanstandung, weswegen ich darauf wenig Zeit verwenden möchte. Bis hierhin scheint also alles zu funktionieren und ein stimmiger, ja sogar guter Roman entstanden zu sein. Wo haperte es also?

Manche meinen, die Aufführung, und daraus folgende Zusammenfassung, der "Stadt der Träumendne Bücher" sei der Tiefpunkt. Obwohl ich die Argumentation verstehen kann, schließlich wird hierbei nicht die Handlung weiterbefördert2, trotzdem stimme ich ihr nicht zu. Für jemanden wie mich, der sich gerne mit Adaptionen befasst, sind die Kommentare von Moers zu diesem Thema, denn um nichts anderes handelt es sich, wenn Mythenmetz die Aufführung mit seinem Werk vergleicht, zu faszinierend, um sie so abzutun. Zugegebenermaßen hilft hierbei die Vertonung durch den kongenialen Andreas Fröhlich und ich gebe auch zu, dass die Szene etwas lang geht.

Zweifelsohne lässt sich der Fehlschlag des Werkes aber mit einem Wort zusammenfassen: Puppetismus, eine fortgeschrittene Variante des Puppentheaters. In der zweiten Hälfte des Buches befasst sich Mythenmetz obsessiv mit dieser Kunstform - und lässt die Handlung erstochen mit einem Dolch hinter sich. Es gibt keine Beschönigung dieser Tatsache: Es handelt sich um eine ermüdende Zusammenfassung einer erdachten Kunstrichtung, wobei, freilich, etliche Anspielungen auf reale Theaterströmungen verarbeitet wurden. Das war bei den Buchlingen nicht anders, diese waren aber darüber hinaus auch so liebevolle Geschöpfe. Wer die literarischen - oder soll ich sagen "intertextuellen"? - Referenzen versteht, hat einen Mehrwert. Wer sie aber nicht versteht, verliert in dem Sinne nichts. Beim Puppetismus ist das anders. Wenn ich die Referenz nicht verstehe, bleibe ich auf der Strecke und lese eine trockene Beschreibung. Selbst wenn ich sie verstehe, bleibt es für mich auf der faktischen Ebene des Erkennens einer Anspielung. Beispielsweise habe ich erkannt, dass der schrecksimistischer Puppetismus eine Anspielung auf "Warten für Godot" darstellt, wirklich Freude habe ich daran nicht gewonnen. Es fehlt die den Buchlingen innewohnende Zelebration des Themas.

Das Ende gehört nicht nur zu den gewagtesten Cliffhangern überhaupt, es stellt auch eine klare Ohrfeige für den Leser dar. Wenn die letzten Worte lauten "Hier fängt die Geschichte an" kommt einem unweigerlich die Frage: Was sollte das eigentlich?

Zuerst dachte ich, es handle sich soweit um ein postmodernes Werk, dass hier dem Leser ein Werk eines Autors in einer Schreibkrise vorgelegt wird (hierbei ist freilich zu beachten, dass dies zwingenderweise keinen Kritikpunkt entkräftigt, im Gegenteil diese voraussetzt). Das scheitert an zwei Punkten. Erstens ist der schreibende Mythenmetz nicht in einer Schreibkrise,  nur der beschriebene Mythenmetz. Das wird deutlich am Anfang ersichtlich, wo Hildegunst gekonnt und mit erstaunlicher Selbstkritik, die ihm laut Handlung an dieser Stelle noch nicht inne sein konnte, sein eigenes Schaffen gnadenlos kritisiert. Zweitens ist der erste Teil, wie beschrieben und voller Ironie, viel zu gut.

Andererseits könnte es auch das Manuskript des Vorgängers, welches auch eine Schreibkrise thematisiert, entfiktionalisieren wollen. Hier scheitert es daran, dass niemand dem Roman diese Qualitäten zuschreiben würde, mich da mit eingeschlossen. Zwar habe ich Lob gehört, dieses fokussierte sich aber weniger auf den inhärenten Qualitäten und vielmehr auf den postmodernen Spielereien, die man im Roman findet. Anders gesagt: Wäre das der Weg gewesen, bräuchte man keine Interpretation, um das Werk zu mögen, es wäre schlicht unwiderstehlich gut.

So bleiben die Leser mit einer Menge Fragezeichen zurück, die auch daraus resultieren, dass man die Intention des Autors nicht kennt, und somit nicht beurteilen kann, ob er "einfach so" gescheitert ist, oder ob das gewollt war (was natürlich immer noch berechtigterweise als Scheitern zu deklarieren ist). Auch glaube ich nicht, dass Moers, wie ich es andern Ortes gelesen habe3, jedes Mal bei einer negativen Kritik schmunzelt. Wie eingangs beschrieben, wird er sonst eigentlich von allen Seiten überwiegend positiv bewertet, wenn also eines seiner Bücher so abschmiert, kann die Schuld kaum sämtlich auf das Unverständnis des Lesers schieben. Vielleicht haben sie ja sehr gut verstanden und sind weitsichtiger als der Autor.

Letztendlich zerschellen für mich auch sämtliche Verteidigungen des Romans an den Worten des Autors selbst. Dieser bezeichnet "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" als Ouvertüre, gibt damit offen zu, die eigentliche Geschichte folge erst. Jede Ansicht, die eine miserable Qualität des Romans postuliert, um dies als gewagte Intention darzustellen, darf getrost ignoriert werden, schließlich unterstützt das Werk diese nicht. So bleib folgendes Fazit: "Die Stadt der Träumenden Bücher" war eine Zelebration des Buches und die Kultur darum; was "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" sein will, weiß ich nicht. Während der Vorgänger den Balanceakt zwischen Zelebration und Handlung, sodass die Geschichte immer zwar Ruhepausen erhielten, aber immer im richtigen Moment wieder ansetzte. Der Fortsetzung fehlt dieses artistische Gespür und ist hemmungslos in seiner Obsession mit erdachten Kunstformen



1Nachzulesen hier
2In meiner Zählweise ist seit einer CD nichts mehr passiert.
3http://romanfresser.de/das-labyrinth-der-traeumenden-buecher-walter-moers/

Freitag, 2. Oktober 2015

Jenseits von Pu und Böse

Ich weiß nicht, was dieses kleine Erlebnis über die Philosophie oder mich sagt. Letztes Jahr erwarb ich in einem Antiquariat das Buch "Jenseits von Pu und Böse" von John Tyermann Williams. Grundlegende Idee des Werkes ist, dass alle Philosophie eigentlich nur auf "Pu der Bär" hinausgelaufen sei. Dies belegt der Autor mit Darstellungen verschiedener philosophischer Strömungen und ihre Anwendung im Kontext dieses Werkes darzulegen.

Nun konnte ich, man möge es meiner Naivität zuschreiben, lange Zeit nicht sagen, ob diese These nun ernst gemeint war oder nicht. Der erste Teil befasst sich mit den griechischen Philosophen der Antike. Die Ausführungen scheinen, wenn schon nicht in dem Sinne, dass man Pu wirklich für den Höhepunkt der westlichen Philosophie hält, dann zumindest so weit ernst gemeint, die Themen anhand der Bücher zu erarbeiten. Bis dahin handelt es sich also um ein nettes Lesewerk, welches sowohl Philosophie nahe bringt als auch dem Bär der Literatur etwas Tiefe verleiht.

Dann folgen jedoch die Philosophen der Neuzeit (das Mittelalter wird bezeichnenderweise übersprungen). Ab diesem Punkt kann kein Zweifel mehr daran bestehen: Es handelt sich um einen Scherz. Zuvor waren es jedoch durchdachte Abhandlungen, die Philosophie beispielsweise eines Hume in "Pu der Bär" hineinzuzwängen wirkt bemüht und geradezu lächerlich.

Ich frage mich aber bis heute, ob  dieser Versuch am Autor oder an den darzustellenden Philosophen scheiterte.

Samstag, 26. September 2015

Carmen

Als ich letztens auf Digital Theatre schaute, ob sie auch Carmen im Repertoire haben, musste ich mit etwas Amusement an die Pressereaktionen im letzten Jahr auf die Carmen-Premiere in Münster denken. Sowohl die Autoren der Westfälischen Nachrichten als auch der Münsterschen Zeitung1 sprachen Verwirrung darüber aus, dass Sara Rossi Daldoss, die die Rolle der Micaëla spielt, mehr Applaus erhielt als die die Hauptrolle der Carmen spielende Tara Venditti. Es wurde spekuliert, es handle sich um einen Fehler in der Inszenierung ihrer Sterbeszene, der das zu verantworten habe. Ich versuche einen Lösungsvorschlag anzubieten.

Erstens handelt es sich bei Sara Rossi Daldoss um eine absolut bezaubernde Sängerin, welche einer eigentlich kleinen Rolle unglaublich viel Leben einhaucht. Diesen Fakt sollte man immer im Hinterkopf behalten, da er zeigt, dass das Publikum sehr klar Talent erkennt.
Zweitens, und viel wichtiger aus meiner Sicht, handelt es sich bei Carmen keinesfalls um eine sympathische Figur - ganz anders als Micaëla. Grundsätzlich behandelt diese französische Oper zwei Beziehungsdreiecke. Das erste umfasst Carmen und ihre beiden Männer, Don José und Escamillo. Das zweite stellt den Soldaten Don José zwischen die Zigeunerin Carmen und seine Jugendfreundin Micaëla.

Sowohl Inszenierung als auch die von mir gelesenen Kommentare legen den Fokus auf das erste Beziehungsdreieck und sehen hier das Konfliktpotenzial. Der moralisch gefestigte Betrachter sieht das mit etwas Skepsis. Auf der Suche nach "Liebe" wirft sie sich unter anderem diesen beiden Männern an den Hals, will bei allem aber auch ihre absolute Freiheit behalten. Wer Liebe als "Akt des Willens, das Gute für den Anderen zu wünschen" versteht, kann bei solch einer Konstellation nur den Kopf schütteln. So scheitert Carmen nicht am Gesellschaftskäfig, der für sie als Zigeunerin ohnehin nicht zutrifft, oder an den besitzergreifenden Männern2, sondern letztendlich an sich selbst und ihrer widersprüchlichen Ansicht.

Viel klassischer und berührender ist da schon das zweite Beziehungsdreieck. Don José ist in einem klassischen Dilemma gefangen: Entweder er entscheidet sich für die Verwegenheit und folgt der Leidenschaft (Carmen), oder er wählt die Sicherheit und, so denken es sich wohl viele Betrachter, das Glück (Micaëla). Hier sieht man eine Tragödie heranreifen und fiebert mit Micaëla mit, die essentiell um die Seele Don Josés kämpft. Man mische dazu das Talent von Sara Rossi Daldoss und die entsprechenden Klagearien werden zum Höhepunkt des Abends.

Aus dieser Sicht scheint es dann nicht mehr Carmen zu sein, die in eine tragische Situation gerät, sondern Don José; tatsächlich wird Carmen eher als Schuldige wahrgenommen. Erinnert man sich daran, scheint die hohe Sympathie für Micaëla nur allzu verständlich.

1 Ich würde gerne die Artikel verlinken, habe sie im Internet leider nicht mehr gefunden, sodass ich vollständig aus dem Gedächtnis schreiben muss.
2 Escamillo und Zuniga sehen tatsächlich in ihr nur ein Objekt der Wollust, allerdings ist es fraglich, ob Carmen darüber hinausgeht und es sollte auch beachtet werden, dass Don José nicht assertiv genug für Carmen ist.

Donnerstag, 24. September 2015

Star Wars on Trial

Wenn man älter wird, muss man mit Bedauern feststellen, dass vieles von dem, was in Jugendzeiten noch als brillante und präzise formulierte Werk wahrgenommen wurde, eigentlich größtenteils banale Aussagen ohne Tiefgang enthält. Dabei möchte ich nicht den Eindruck erwecken wollen, ihn fehle völlig die Qualität, aber die Perspektive verändert sich.
So auch mit "Star Wars on Trial".

Die Idee ist dabei eine gute, Science-Fiction-Autoren diskutieren darüber, ob der Einfluss der Star Wars - Reihe als positiv oder negativ für das Genre aufgenommen werden muss. Lange Zeit galt dieses Buch für mich als Referenz zum Thema Fantasy und Science Fiction, war sogar das Non plus ultra. Mittlerweile missfallen mir die naive Sicht von Geschichte1 , wie sie eigentlich alle Autoren aufweisen, und Religion, wobei diese eher Unwissen aufzeigt. Wenige Argumente weisen Kohärenz auf.

 Trotzdem möchte ich nicht verhehlen, dass mir Matthew Stover, Autor der Verteidigung, immer noch gefällt, einerseits da er die ganze Angelegenheit mit Humor nimmt und andererseits eine sympathische Argumentation2 aufbaut.

Den gesamten Inhalt zu kritisieren würde ein weiteres Durcharbeiten erfordern und lohnt der Sache eigentlich nicht. Ich musste mich schon davon abhalten, die Seiten mit Notizen über Notizen zu füllen, denn das hebe ich mir dann doch für die Großen Bücher auf. Allerdings ist ein Aspekt an Heuchelei überhaupt nicht zu überbieten. Einer der größten Vorwürfe gegenüber Star Wars ist, dass antidemokratische und elitäre Politik hier unterstützt wird, selbstverständlich durch die Jedi symbolisiert, deren Kraft auf Vererbung basiert. Ungern möchte ich auf diesen Punkt näher eingehen, man soll ihn nur im Kopf behalten. Jetzt komme ich darauf zurück, dass dieses Werk meine Sicht von Science Fiction für lange Zeit maßgeblich beeinflusst hat (dankbar bin ich zum Beispiel dafür, Isaac Asimov über dieses Buch gefunden zu haben). Das lässt aber offen: Wie unterscheidet David Brin, Autor der Anklage, Science Fiction und Fantasy?

Hier stürzt alles zusammen. Im Grunde wird alles für das Genre Science Fiction beschlagnahmt, was intelligent ist - oder als solches erkannt wird, sodass auch Tolkien sich nicht den verfehlten Angriffen von David Brin entziehen kann. Anders gesagt und zugespitzt: Science Fiction ist gute, Fantasy ist schlechte Literatur. Natürlich ist David Brin der Richter in diesen Sachen. Ich komme beim besten Willen nicht darum herum, darin etwas leicht elitäres zu sehen. Und Brin scheint auch kein Problem zu haben, diese Meinung öffentlich zu präsentieren.


1 Es handelt sich um das typische Klischee des dunklen Mittelalters und der alles verbessernden Renaissance und Aufklärung.
2 Völlig unzureichend verkürzt beharrt er darauf, dass es eben nicht die eine Möglichkeit gibt, diese Filme (und das Franchise) zu sehen, sondern mehrere. So ist die "Dunkle Seite", wie er die Anklage nennt, darauf angewiesen, den Leser von einer bestimmten Sichtweise zu überzeugen, während Stover lediglich auf die Anwesenheit von anderen Lesarten hinweisen muss.

Dienstag, 22. September 2015

Abbé Faria

In meiner Bibliothek in Rom besaß ich rund fünftausend Bände. Durch vieles Lesen und Wiederlesen habe ich herausgefunden, dass man mit hundertfünfzig gut gewählten Werken, wenn nicht den vollständigen Umfang der menschlichen Kenntnisse, so wenigstens all das hat, was ein Mensch wissen muss. Ich habe drei Jahre meines Lebens dem Lesen und Wiederlesen dieser hundertfünfzig Bühcer geweiht, so dass ich sie beinahe auswendig wusste, als ich verhaftet wurde. In meinem Gefängnis habe ich vermöge einer geringen Gedächtnisanstrengung mich völlig an sie erinnert. So könnte ich Ihnen Thukydides, Xenophon, Plutarch, Titus Livius, Tacitus, Straba, Jornandes, Dante, Montaigne, Shakespeare, Spinoza, Machiavelli und Bossuet rezitieren. Ich habe jetzt nur die wichtigsten aufgezählt.
Abbé Faria 

 Unweigerlich musste ich an dieser Stelle schmunzeln. Hat sich Mortimer J. Adler, wenn er von einer gebildeten Person redet, sich den Abbé Faria vorgestellt? Zumindest kommt es mir so vor, als seien die Konzepte nicht allzu weit von einander entfernt. In der Aufzählung kommen auf jeden Fall Autoren vor, die auch Adler sehr schätzte. Auf jeden wird der Abbé mir in Zukunft als Vorbild dienen, wenn ich wieder am Großen Leseprojekt arbeite (bei dem ich schändlich zurückhänge). Die Effekte beschreibt Dumas so, dass Farias Einfluss auf Edmond Dantès groß genug war, damit er seinem Vater das Leben, Faria aber seinen Verstand verdanke.

Die Ironie: Der Graf von Monte Christo mag ein Paradebeispiel des gebildeten Menschen im Sinne eine Mortimer J. Adler beinhalten, ist selbst meines Wissens aber nie auf die Liste der Großen Bücher gelangt.

Sonntag, 20. September 2015

Urlaub

Am Donnerstagabend kam ich zurück und nutzte die letzten Tage, um mich wieder an das "normale" Leben zu gewöhnen. Völlig ohne Reflektion möchte ich diese zwei Wochen nicht verstreichen lassen, weswegen ich in kurzen Worten die wichtigsten Eindrücke niederschreibe.Direkt nach der Sonntagsmesse ging es los und mir stand eine lange Fahrt bevor. Diese verlief glücklicherweise ohne weitere Komplikationen, sodass am Abend dem schönen Polen "Hallo!" gesagt werden konnte. Am Haus meiner Großmutter angekommen, betrat ich eine etwas andere Welt: Alles etwas langsamer, alles etwas kleiner, alles etwas volksfrömmiger: Kruzifixe, Mariendevotionalien und Papstbilder1 beherrschen die Optik der Wohnung. Diese Tatsache machte das Einleben erstaunlich einfach.

Das erste große Ereignis war der Besuch der schwarzen Madonna in Tschenstochau (Częstochowa). Das Marienheiligtum in Jasna Góra zu besuchen, stand schon seit einiger Zeit auf Liste von Dingen, die ich noch zu erledigen habe (oder wie in diesem Falle: Dinge, die ich schändlicherweise noch nicht getan habe.) Neben den offensichtlichen Möglichkeiten für kontemplatives Gebet, begeisterten mich auch der um den Berg angelegte Kreuzweg und die bildhaften Darstellungen der Geheimnisse des Rosenkranzes.

Daneben gab es als großes Ereignis, abgesehen von Besuchen bei Verwandten, welche wohl für mich wichtig sind, andere aber weniger interessieren, den Besuch des JuraParks. Der eine Teil erklärt den Beginn der Menschheit und der andere lässt den Besucher eine kleinere Entsprechung eines "Jurassic Park" im Sinne Spielbergs sehen. Natürlich handelt es sich bei den Dinosauriern nur um Figuren, jedoch kann ich bei der Anlegung des Parks aufgrund der Einhaltung einzelner Prinzipien nur Lob aussprechen.

Wieder einmal war der Sonntag ein Reisetag, wobei es dieses Mal darum ging, nach Beuten (Bytom) zu fahren, um den anderen Teil der Verwandtschaft zu besuchen. Einem gemütlichen Grillen folgte ein Besuch einer öffentlichen Veranstaltung, auf der die Kabarettgruppe Młodych Panów auftrat. Diese wird deutschen Lesern wohl nicht viel sagen, wer aber ein wenig Schlesisch, einem Dialekt des Polnischen, versteht, hat mit der Gruppe sicher seinen Spaß.

Mein Cousin hatte noch eine kleine Idee. Am Flughafen von Kattowitz (Catowice) gibt es eine Stelle, über der direkt die ankommenden Flugzeuge fliegen. Damit durfte der Abend (in den nächsten Morgen überlappend) ausklingen. Es hat schon etwas an sich, wie aus einem einfachen, sich bewegenden Licht, langsam eine Motte und dann das Flugzeug wird, welches den faszinierten Betrachter in seinem Wind stehen lässt.

Beuten gab auch die Möglichkeit, die Reiseziele Wadowice und Krakau einfacher zu erreichen. Wadowice war als Geburtort von Karol Wojtyła für mich eigentlich vorgegeben. Sein Geburtshaus wurde in ein schönes Museum umgewandelt, sodass ich auch hier viel lernen konnte - und mich bei den angebotenen Büchern etwas zurückhalten musste. Am interessantesten war für mich eine Tatsache. An einer Seite der Kirche in Wadowice steht ein wundervolle Sinnspruch auf der Sonnenuhr: Czas ucieka, wieczność czeka (Zeit flieht, Ewigkeit wartet). Von Karols Arbeitszimmer hatte er diesen Satz stets im Blick und konnte über seine Bedeutung sinnieren.

Krakau am Montag zu besuchen war alles andere als geschickt, da dies der Ruhetag für die meisten Attraktionen auf dem Wawel ist. So wurde der restliche Tag eher mit Besichtigen der Stadt und dem Ankauf von Souvenirs verbracht. Unter anderem befindet sich darunter ein Buch mit sämtlichen Legenden aus der Stadt.

An Ereignissen lässt sich eigentlich nichts mehr zusammentragen. Es wurde noch eine Silbermine besucht, noch einige Verwandte besucht, jedoch konnte der Urlaub im Großen und Ganzen so ausklingen, wie er begann: ruhig. Mein literarischer Begleiter war Der Graf von Monte Christo von Alexandre Dumas und die letzten Tagen die Einführung in das Christentum von Joseph Ratzinger.


Natürlich von "unserem" Papst, Johannes Paul II.

Sonntag, 6. September 2015

Kleine Ankündigung

Leider war es für mich schon vorher absehbar, aber es lässt sich nicht abwenden. Die nächsten zwei Wochen wird es wohl auf diesem Blog etwas ruhiger aussehen, denn ich verabschiede mich für einen kleinen Urlaub nach Polen. Ob ich dort blogge oder nicht, kann ich theoretisch nicht sagen, allerdings möchte ich nichts kategorisch ausschließen. Dummerweise war ich bereits die letzten zwei Wochen auf einer Freizeit unterwegs (wenn ich selbst nichts mehr schreibe, gibt es hier dazu etwas unter den Überschriften "Jugendfreizeit 2015" nachzulesen), sodass ich für diesen Zeitraum keinen Vorrat aufbauen konnte. Das führt zwar zu einem Haufen Entwürfe ohne fertiggstellte Werke präsentieren zu können. Sei's wie sei, da muss man durch. In zwei Wochen wird auch wieder regelmäßig gebloggt, versprochen.
Der dumme Fuchs

Samstag, 5. September 2015

ARD und Menschenrechte

Die Realität kann sich niemals ändern ohne ein spirituelles Konzept des Individuums. Und dazu [...] muss man einen jeden Menschen zu der Erkenntnis seiner Würde führen. Viele von den toten Frauen wären noch am Leben, wenn man ihre Würde respektiert hätte.1

 Manchmal trifft man auf Texte, die man gerne nicht gesehen hätte: HIER

Ob es bei der Abtreibung zum Töten kommt? Unwichtig.
Die Abtreibung löst sämtliche Probleme? Sicherlich.

Ich stelle dem Text mal ein Zitat gegenüber:

"For man, the right to life is the fundamental right. And yet, a part of contemporary culture has wanted to deny that right, turning it into an 'uncomfortable' right, one that has to be defended. But there is no other right that so closely affects the very existence of the human person! The right to life means the right to be born and then continue to live until one's natural end: 'As long as I live, I have the right to life.'

The question of conceived and unborn children is a particularly delicate yet clear problem. The legalization of the termination of the pregnancy is none other than the authorization given to an adult, with the approval of an established law, to take the lives of children yet unborn and thus incapable of defending themselves.[...]

Often the question ist presented as a women's right to free choice regarding the life already existing inside her, that she carries in her womb: the woman should have the right to choose between giving life or taking it away from the unborn child. Anyone can see that the alternative here is only apparent. It is not possible to speak of the right to choose when a clear moral evil is involved, when what is at stake is the commandment Do not kill!

[...]

It is necessary to recognize that, in this context, we are witnessing true human  tragedies. Often the woman  is the victim of male selfishness, in the sense that the man, who has contributed to the conception of the new life, does not want to be burdened with it and leaves the responsibility to the woman, as if it were 'her fault' alone. So, precisely when the woman most needs the man's support, he proves to be a cynical egotist, capable of exploiting her affection or weakness, yet stubbornly resitant to any sense of responsibility for his own action. These are problems that are well known not only in confessionals, but also in courts throughout the world and, more and more these days, in courts that deal with minors.

Therefore, in rejecting 'pro choice' it is necessary to become courageously 'pro woman,' promoting a choice that is truly in favor of women. It is precisely the woman, in fact, who pays the highest price, not only for her motherhood, but even more for its destruction, for the suppression of the life of the child who has been conceived. The only hones stance, in these cases, is that of radical solidarity with the woman. It is not right to leave her alone. The experiences of many counseling centers show that the woman does not want to suppress the life of the child she carries within her. If she is supported in this attitude, and if at the same time she is freed from the intimidation of those around her, then she is even capable of heroism. As I have said, numerous counseling centers are witness tho this, as are, in a special way, houses for teenage mothers. It seems, therefore, that society is beginning to develop a more mature attitude in this regard, even if there are still many self-styled 'benefactors' who claim to 'help' women by liberating them from the prospect of motherhood."2

1 Karol Wojtyła im Film Karol - Papst und Mensch
2 Pope John Paul II, Crossing the Threshold of Hope, p. 204-207

Donnerstag, 3. September 2015

Kurzkritik: Anansi Boys - Neil Gaiman

Einen Roman von Neil Gaiman zu lesen ist im Grunde immer eine faszinierende Angelegenheit. In meinem Falle bleibt allerdings stets ein Gefühl der Unzulänglichkeit zurück. In vielen Aspekten ist es völlig unmöglich dem Briten auch nur im Geringsten einen Vorwurf zu machen. Bei diesem Werk ist das die Eskalation zu Beginn. Nicht nur für die vernünftige Einleitung, die heutzutage zu gerne für einen rasanten Einstieg aufgegeben wird, war ich dankbar, auch die weitere Entwicklung bis zum handlungstragenden Element, der den Plot startende Akt, wenn man so will, entzückt geradezu. In dieser Hinsicht lassen sich schnell Parallelen zu „American Gods“ ziehen, der ebenso im Anfang völlig überzeugte.
Dann geht es aber darum diesen Konflikt wieder aufzulösen. In gewisser Hinsicht kann ich Gaiman nicht mal hier kritisieren. Anders als manch andere Autoren, zum Beispiel sei nur Stephen King genannt, macht er sich sichtlich Gedanken, wo er mit seiner Geschichte hin will. Jedoch möchte er so zielstrebig dort hin, dass man ein wenig die Atmosphäre vermisst. Mir schien es, als habe man den Mittelteil übersprungen und sei sofort bei der Lösung des Rätsel angelangt. Als hätte Poirot keine Menschenseele befragen müssen, da er direkt sein Resultat vorstellen kann.
Weiterhin geht aus meiner Sicht ein weiterer Aspekt unter. Anansi soll der Gott der Schwindler sein, der „trickster god“. Man wünscht sich, viel mehr davon zu sehen. Der Leser bekommt zwar verschiedene Lichtblicke darauf, darf es aber nicht in voller Pracht genießen. Gerade für die Lösung des Dilemmas hätte man sich mehr davon gewünscht.

Dabei liest sich das jetzt wohl viel negativer, als gemeint ist, nur gemeint sein kann. Schließlich ist meine Beschwerde darauf ausgelegt, mehr zu verlangen. Prinzipiell ist das kein allzu schlechtes Zeichen und lässt zumindest Gaiman als Schreiber an sich im guten Lichte dastehen. Insgesamt wird man auch seinen kurzweiligen Spaß mit dem Roman haben. Bei Gaiman bin ich mir aber jedes Mal aufs Neue bewusst, dass ich eben nicht jemanden lese, der nur gut ist, sondern jemanden mit dem Potenzial zu einem absolut genialen Werk. Dieses Potenzial so häufig ungenutzt zu sehen, schmerzt mich einfach.

Dienstag, 1. September 2015

Die Affen und Hamlet

Stellen Sie sich einen Affen vor. Und eine Schreibmaschine oder - die Zeiten ändern sich - eine Tastatur. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Affe sich hinter die Tastatur klemmt und ein literarisches Meisterwerk produziert [...]? Natürlich unendlich klein. [...] Gäbe es allerdings tatsächlich eine unendliche Anzahl von Affen [...], könnte man tatsächlich davon ausgehen, dass jedes Buch, ob nun Meisterwerk oder nicht, irgendwann einmal von einem Affen geschrieben werden würde. [...] Der springende Punkt ist natürlich die Unendlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Affe es schafft, beispielsweise Hamlet zu schreiben, ist vernachlässigbar gering. Genauer gesagt liegt sie bei 1:3,4183946 (es hat sich wirklich einmal jemand die Mühe gemacht, das auszurechnen). Wenn sich nun eine unendliche Anzahl Affen an einer Tastatur austobt, muss man diese Minimalchance mit unendlich multiplizieren, und dann wird die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Affen es je schafft, das Werk Shakespeares herunterzutippen, auf einmal tatsächlich reell.[...] Will man die Wahrscheinlichkeit von etwas einschätzen, muss man folglich die genaue Anzahl der Affen kennen und mit einberechnen.1

Dass die Rationalität der Welt sinnvoll nicht aus der Irrationalität erklärt werden kann, ist evident.2

 Das von Ruben Mersch dargestellte Gedankenexperiment gehört zu einem der interessanteren dieser Gattung. Dabei ist es geradezu eklatant, wie der moderne Mensch nur völlig technisch an die Fragestellung herangehen kann. Klar vor seinen Augen sieht er die Wahrscheinlichkeit des Ausgangssachverhalts, sodass er zweifelsohne zu dem Ergebnis kommen muss, es sei nicht möglich. Was ihm dabei entgeht, ist freilich kein unbedeutender Fakt: Die geringe Wahrscheinlichkeit gilt eben nicht nur für "Hamlet", sondern für jede x-beliebige Aneinanderreihung von Zeichen, insofern es sich um dieselbe Anzahl derselben handelt. In anderen Worten: Ob ich nun "Hamlet" schreibe oder "Ltmeah" macht aus der Sicht des Zufalls nicht den geringsten Unterschied. Was bringt uns dann also dazu, solche Gedankenexperimente in Erwägung zu ziehen? Der Zufall kann es, wie soeben dargestellt, nicht sein.
So muss man, auch wenn es dem ein oder anderen missfällt, die teleologische Ebene miteinbeziehen. Erst ich als Mensch, damit als Beherrscher einer syntaktischen Sprache, gebe beispielsweise den Worten "To be or not to be" eine Bedeutung. Nicht die Unwahrscheinlichkeit der Aneinanderreihung lässt mich Shakespeare als Genie loben. Es ist der Sinn dieser Worte, der sich, so leid mir das auch tut, nicht der rein faktischen Betrachtung erschließt. Eine niedrigere Ebene erschließt mir vielleicht eine gewisse Tatsache, jedoch handelt es sich bei dieser Beobachtung keineswegs um das konstituierende Moment. Schließlich preisen wir Shakespeare nicht dafür, dass es ihm zufälligerweise gelungen ist, hunderte Zeichen in einer gewissen Reihenfolge zu Papier zu bringen, sondern für seine Lyrik und Einsicht in die menschliche Psyche.



1 Ruben Mersch, Warum wir alle Idioten sind S.120f
2 Joseph Ratzinger, Auf Christus schauen S.30

Samstag, 29. August 2015

Kurzkritik: Dracula - Bram Stoker

Hören Sie die Kinder der Nacht? Was für Musik sie machen!1
An dieser Stelle muss ich einmal etwas gestehen: "Dracula" ist einer von zwei Romanen, die ich zwar angefangen, aber nie zu Ende gelesen habe. Der andere ist der vierte Band der "Per Anhalter durch die Galaxis" - Reihe. Zu meiner Verteidigung: Letzteres wurde mir vom Autor selbst auf der Seite angeboten.
Offensichtlich ist es mir nun gelungen, diesen Klassiker des Horrorgenre zu vollenden. Man versteht nach der Lektüre sofort, warum Stoker einen Klassiker geschaffen hat. Man kommt nicht umhin, seine Fantasie von diesem Roman beeinflussen zu lassen und möchte selbst in diesen Mythos eintauchen. In diesem Sinne trifft der Begriff voll  und ganz zu. Leider trifft das nicht durchgängig auf die Qualität des Briefromans zu. In meiner Wahrnehmung gibt es nur einen Teil, der über allen Zweifeln erhaben ist. Dabei handelt es sich um die ersten 70 Seiten, in denen Jonathan Harker, einer unserer Protagonisten, im Schloss Dracula nächtigt und en passant die grundlegendsten Eigenschaften des Nosferatu, also Vampirs, darlegt. Sowohl in meiner Erinnerung meines ersten Versuches als auch beim erneuten Lesen, blieb mir diese Stelle am besten im Gedächtnis. Der Aufbau der Atmosphäre ist makellos und erzeugt eine unvergleichliche Erfahrung. Wenn die Szenerie sich nach London verschiebt, flacht das ganze etwas ab. Es ist nicht wirklich schlecht, es fehlt aber das Gefühl der Dringlichkeit, schließlich beschäftigen wir uns gut 100 Seiten mit den drei Verehrern von Lucy Westenra, bevor die Ankunft des Grafen uns aufschreckt.
Den letztendlich schwersten Fehler beging Stoker aber mit einem Fehlgriff im Stil. Das Werk ist, wie gesagt, ein Briefroman und besteht vornehmlich aus Tagebucheinträgen. Allerdings fehlt jedem Autor ein individueller Stil, sodass Mina genauso schreibt wie ihr Mann Jonathan oder Dr. Seward. Das mag funktional sein, dadurch geht aber entscheidend Atmosphäre verloren, denn der Kunstgriff scheint nicht vollends durchdacht zu sein, wodurch sein Effekt nicht vollends ausgenutzt werden kann.
So sollte Dracula zusammen mit Frankenstein und Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde als Klassiker des Horrorgenre angesehen werden, obwohl gewisse Abstriche im Stil gemach werden müssen, die sich entscheidend auf die Atmosphäre auswirken.

1Bram Stoker, Dracula S.30

Mittwoch, 26. August 2015

Kurzkritik: Zur Lage des Glaubens - Joseph Ratzinger

Tatsache ist, dass wir heute alle glauben, wir wären so gut, dass wir nichts anderes als den Himmel verdienen würden! Hierfür trägt gewiss eine Kultur die Verantwortung, die mit mildernen Umständen und Alibis versucht, den Menschen den Sinn für ihre Schuld, irhe Sünde zu entziehen. Jemand hat bermerkt, dass die heute vorherrschenden Ideologien von einem gemeinsamen Grunddogma getragen seien: der hartnäckigen Leugnung der Sünde, das heißt gerad jener Wirklichkeit, mit der der Glaube an die Hölle, an das Fegefeuer verknüpft ist.1

Bei "Zur Lage des Glaubens" handelt es sich um einen Interviewband von Vittorio Messori, das er mit Joseph Ratzinger geführt hatte, dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation. Aufmerksam bin ich auf das Buch durch ein anderes "Interviewbuch" geworden, dieses erschien allerdings ein paar Jahre später unter dem Namen Crossing the Threshold of Hope und wurde mit dem damaligen Papst Johannes Paul II. geführt. Im Vorwort beschreibt der Journalist, wie er dazu gekommen ist, mit dem Papst ein Interview führen zu sollen - das Resultat waren mehr Fragen, die der Papst in seiner Freizeit beantwortete. Dabei gibt er als einer der Gründe seine Autorenschaft von "The Ratzinger Report" an, dem vorliegenden Band.
Vielleicht kennt der ein oder andere die anderen Ratzinger-Interviewbücher, welche in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Peter Seewald entstanden sind. Wer ähnlich erhellende Antworten auf konkrete Fragen auch hier erwartet, wird nicht enttäuscht. Allerdings muss man ein wenig vor dem Stil gewarnt werden. Peter Seewald hält seine Bücher streng in Dialogform, wie man ein Interview gewöhnt ist. Vittorio Messori hingegen schreibt in einer italienischen Art und obwohl Ratzinger selbst oft und lange zu Wort kommt, zeichnet sich diese Art dadurch aus, dass der Journalist das geführte Gespräch zusammenfasst, wodurch sich Prosa und direkte Rede ständig abwechseln. Dies kann von dem ein oder anderen - wie mir - eine gewisse Einarbeitszeit abverlangen.
Wichtig bleibt aber der Inhalt. Dieser scheint zwar etwas stärker als bei Seewald in der Zeit verwurzelt zu sein - hier die frühen 80er -, denn Themen wie die Theologie der Befreiung und das II. Vatikanische Konzil werden konkret besprochen. Aber es sind eben nicht nur diese Themen, auch Sachen zu allgemeinen Themen wie Fegefeuer und die Bedeutung von Maria stehen im Zentrum der Ausführungen Ratzingers. Wenn man aber mich fragt, so sind die speziellen Fragen der Zeit ein wertvoller Teil des Buches, zeigen sie doch eine interessante Perspektive auf Themen, die in der öffentlichen Wahrnehmung immer seltsam verklärt erscheinen. Grundsätzlich kann dieser "Report" also allemal gelesen werden.

P.S. Auch die drei Peter Seewald Bücher sind empfehlenswert. Salz der Erde ist eine kritischere Auseinandersetzung, in der der Präfekt den meisten modernen Vorwürfen  Rede und Antwort zu stehen hat. Gott und die Welt wird von mir immer der "kleine Katechismus" genannt, da es so weitläufig in seinen Themen und tiefgründig in seinen Antworten ist. Licht der Welt hingegen ist in einer Sache mit dem besprochenen Werk verwandt: Es bespricht ebenso konkrete Anliegen der Zeit, hierbei geht es um die Skandale in der Zeit von Ratzingers Papsttum. Wer jedoch nur dieses Anliegen in dem Buch finden sollte, müsste das ein oder andere Kapitel nochmals lesen.

1 Joseph Ratzinger, Zur Lage des Glaubens S. 152

Montag, 24. August 2015

Kurzkritik: Die Abschaffung des Menschen - C.S. Lewis

Werke wie diese müssten in der heutigen Zeit Standardliteratur für jeden sein. Eigentlich hatte ich mir "The Abolition of Man" nur zu Gemüte geführt, weil ich ein wenig Zeit hatte und kein anderes Werk in dieser Länge zur Hand war. Allerdings erwies es sich als Kunstgriff, denn, obwohl ich es bereits im verflossenen Jahre las, entfiel mir der zeitnahe Inhalt völlig. Nicht zuletzt durch die Anerkennung durch Mortimer J. Adler als "Großes Buch" und die Erwähnung durch Ratzinger in "Wendezeit in Europa" wurde mir dieser Status wirklich bewusst.
Dabei beginnt das ganze etwas befremdlich - als Rezension. Lewis nimmt sich das vor, was er "The Green Book" nennt. Exemplarisch zeigt er hier moderne Fehler auf, wobei er sich bis zum Ende in ein enthusiastisches Plädoyer für das Tao steigert - so lautet  des Autors Allgemeinbegriff für die gesammelten Moralvorstellungen der Welt. Sehr bewusst nennt er sie nicht christlich oder westlich, er macht hingegen viel mehr auf die Universalität dieser Ansichten aufmerksam.
So muss manch einer sich vielleicht durch den ersten Teil kämpfen, gelangt er dann aber zu "Men without Chests", wo zuvor sanft angedeutete Punkte zu ihrer letzten Konsequenz gebracht werden. Der moderne Mensch sei darauf fixiert, stets rational zu sein und sich nicht durch die Emotionen fehl leiten zu lassen. Für Lewis ist aber Realität, dass für einen jeden solchen Narren mindestens drei gibt, bei denen es unmöglich ist, irgendeine Regung hervorzurufen. Wir tauschen unser Menschsein ein und sind dabei nicht einmal schlüssig in unserer Argumentation, wie der geniale Lewis hier aufzeigt. Denn Kritik am Tao ist nur für jene möglich, die das Tao angenommen haben.
Nicht zuletzt die mannigfaltigen Referenzen zu etlichen Werken, die seine Ansicht stützen, müssen Adler dazu bewogen haben, dieses Werk in jene Reihe aufzunehmen.

Samstag, 22. August 2015

Kriton

Während ich bei der "Apologie" wirklich eine Menge schreiben konnte, obwohl das Werk im Vergleich zu anderen mit 40 Seiten noch relativ kurz ist, wird mir das bei Crito schwerer fallen. Einerseits ist der "Dialog", ich würde viel eher von einem Monolog reden, in dem Sokrates seine Meinung ohne große Widerworte darlegt, relativ kurz, andererseits beinhaltet er nicht die Masse an Ideen, wie es bei der "Apologie" der Fall ist, welche einen perfekten Start für die Großen Ideen und damit für die Großen Bücher darstellt.

In Crito erscheint der titelgebende Crito in Sokrates' Zelle und versucht ihn zu überreden, aus Athen zu fliehen. Dies lehnt der Grieche ab und legt es deutlich dar. Er fängt damit an, die Meinung der vielen als grundsätzlich ablehnbar darzustellen. Wenn wir gute Sachen wissen wollen, gehen wir zu den Leuten, die etwas von diesen guten Sachen verstehen. Daraus folgert er eine persönliche Maxime, wonach nicht das Leben, sonder das gute Leben geschätzt werden muss. Obwohl ich als Katholik dieser Maxim in gewisser Weise widersprechen muss, kann  ich ihr auch etwas abgewinnen. Wenn man es als persönlichen Anspruch sieht, wonach man nach mehr strebt, als das gewöhnliche Dahinsiechen, wie auch in der "Apologie" vom "betrachteten Leben" gesprochen wird, dann könnte ich mich durchaus damit anfreunden.

Dann wird es interessant. Sokrates stellt eine für ihn selbstverständliche These auf, gibt aber im selben Atemzug zu, dass sich nie eine Mehrheit finden lässt, die diese stützen würde. Aus Sokrates' Sicht darf niemals vorsätzlich etwas Böses zu tun. Alle Argumente, mit denen wir etwas Böses rechtfertigen, stoßen beim Griechen auf taube Ohren, denn sein grundlegendes Prinzip sagt: Die Gerechtigkeit kommt vor dem Leben.

Deswegen kann er auch nicht fliehen. Der Staat, welcher errichtet wurde, um die Gerechtigkeit zu erhalten - das wird in Zukunft auf alle Fälle noch eine faszinierende Idee darstellen -, hat ihm ein Versprechen abgenommen: Sokrates soll sich an seine Gesetze halten. Er wurde nach diesen Gesetzen verurteilt. Wenn er nun flieht, führt er dieses Gesetzeswesen ad absurdum. An dieser Stelle wird nochmals völlig klar gestellt, dass es sich bei Sokrates keinesfalls um einen Sophisten handelt. Seine Prinzipien sind standfest und führen ihn zu einem Schluss, dessen Konsequenz ihm zwar nicht gefallen mag, allerdings wird er sich ihm beugen.

Letzten Endes ergibt sich nun auch eine andere Ebene. Sokrates befindet sich im Grunde nicht in einer anderen Position als sonst ein Mensch. Sein Tod ist sicher. Tatsächlich gibt er bei seiner Gerichtsverhandlung zu bedenken, dass er in ein paar Jahren ohnehin sterben wird. Dies lässt ihn aber keineswegs verzweifeln. Mit Courage und Weisheit begegnet er diesem Phänomen und versucht ein universales Beispiel zu geben.