Freitag, 6. November 2015

Der Dunkle Turm 2: Drei - Stephen King

 Mach nicht den Fehler und schenke ihm dein Herz. Guter Rat. Du hast dir selbst geschadet, indem du freundschaftliche Gefühle für diejenigen gefasst hast, denen letztlich geschadet werden musste.
Bedenke deine Pflicht, Roland. 1

Weiter soll es nun auf unserer Reise zum Dunklen Turm gehen. Für mich bewegen wir uns noch auf vertrautem Gebiet, schließlich gehörte Drei (engl. The Drawing of the Three2) zu den beiden Romanen, die ich vor Jahren schon einmal las. Interessanterweise veränderte sich nichts an meiner Einstellung zum eigentlichen Inhalt des Romans, jedoch fiel mir dieses Mal stärker auf, was eben nicht da ist.

Roland erwacht nach dem langen Palaver mit dem Mann in Schwarz, wozu er anscheinend zehn Jahre gebraucht hat. Nachdem ich doch schon etwas weiter in der Reihe bin, wundert mich diese Zeile überhaupt nicht mehr. Es gehört zu einer der Eigenschaften von Mittwelt, eine fürchterlich komplexe Geographie und Zeit aufzuweisen. Insofern sind diese zehn Jahre Schlaf schon beinahe verständlich. Auf jeden Fall geht er am westlichen Strand entlang, denn der Walter, der Mann in Schwarz, hat ihm seinen folgenden Weg weis gesagt: Er wird drei neue Mitstreiter, ein Ka-tet, "ziehen". Mit diesen muss er sich auf die Reise zum Dunklen Turm machen.

Bevor er aber überhaupt zur ersten Tür gelangt, schockt King den Leser gewaltig. Roland trifft auf die  durchgängigen Antagonisten des Romans: die Monsterhummer. Das mag sich jetzt dämlich lesen, jedoch gelingt es King, uns die Furcht vor ihnen zu lehren - im Prolog des Romans. Normalerweise vertrauen Autoren es sogenannten "Red-Shirts" an, diesen Effekt zu erreichen. Das Prinzip ist nicht nur auf "Star Trek" zu beschränken, es kommt allgemein immer dann zum Einsatz, wenn ein Autor eine Gefahr deutlich machen möchte, seinen Hauptfiguren aber gerne verschont, diesen sollen schließlich die Handlung an sich tragen. Stephen King wirft das ganze über Bord und lässt den ersten Hummer sogleich Roland zwei Finger seiner rechten Hand verspeisen (und ein wenig von seinem Fuß). Damit muss der Revolvermann die gesamte Länge des Romans fertig werden, erhält auch am Ende kein Deus ex machina, bleibt bis auf weiteres in dieser Hinsicht eingeschränkt. Zu allem Übel schein der Hummer mit einem Gift ausgestattet zu sein, das Roland schwer krank werden lässt.

Diese Art der Konsequenz zieht sich - bisher - durch die ganze Reihe und lässt den Leser spüren, dass er nicht einfach nur einer Reise beiwohnt, diese hingegen eine klare Auswirkung auf die Charaktere hat. Also hat er mich innerhalb von zehn Seiten schon gewonnen, Glücklicherweise gibt auch der Rest diese Qualität her - meistens zumindest.

So erreicht Roland, schwer angeschlagen, die erste Tür mit der Aufschrift "Der Gefangene". Dahinter verbirgt sich der Kopf von Eddie Dean. Das mag sich seltsam lesen, ist aber völlig korrekt. Wieder einmal applaudiere ich der Kreativität von Stephen King. So absurd das im ersten Moment klingt, schafft er es doch, eine überraschend intelligente Geschichte daraus zu stricken. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Roland dem Betrachter von Eddies Sinnen und ihm als Handelnden, sollte er "nach vorne" kommen. Er kann Eddies Gedanken als Enzyklopädie verwenden, ihn mit Gesprächen beeinflussen, etc. In dieser Hinsicht ist der Roman überraschend gut ausgearbeitet und es macht schlicht Spaß, Roland dabei zu beobachten wie er mit dieser, für ihn ebenfalls neuen Situation umgeht.

Auf dieser Ebene habe ich keinerlei Beanstandungen, wobei hierbei auch der flotte Erzählstil sein Übriges tut. Hält man nun inne und reflektiert über das Gelesene ein wenig, kommt man leider nicht umhin, das ein oder andere festzustellen. Zuerst der Titel: Der Gefangene. Hintergrund soll sein, Eddie sei ein Gefangener des Heroins. Bis auf wenige Momente wirkt sich das aber wenig bis gar nicht auf seinen Charakter aus. Vielmehr scheint es darum zu gehen, ihm irgendeinen Hintergrund zu geben, in den Roland einsteigen kann. Nur wenige Entzugserscheinungen nach diesem kleinen Abenteuer deuten aber auf seine "Gefangenschaft" des Heroins hin.

Weiterhin widerstreben mir in diesem Teil der Geschichte zwei verschiedene Aspekte, die sich gegenüberstehen. Einerseits der eigentliche Verlauf der Handlung, die schon viel früher hätte beendet werden können - ohne Zoll, ohne Polizei, ohne Schießerei. Andererseits der geniale Gebrauch dieser letztlich "nutzlosen" Taten für die Charakterisierung Eddies und Zementierung der Beziehung zwischen Eddie und Roland. So ist es zwar für die Figuren, wie der Autor sie zeichnet, notwendig, den Tod Eddies wahrzunehmen, um den letzten Schritt deutlich zu machen und Eddie durch die anrückende Polizei keinen Ausweg zu lassen, die Handlung braucht aber ab dem Moment, da Roland sowohl Medizin als auch Essen besitzt, nicht mehr fortlaufen.

Das wird nochmals im nächsten Teil, "Die Herrin der Schatten", klar. Ohne großes Federlesen verlässt Roland unsere Welt wieder, sodass der folgende Plot mehr in Mittwelt stattfindet. Dabei handelt es sich hierbei um eine kohärentere Geschichte, die ganz schlicht ein Problem behandelt: Wie kommen wir zur nächsten Tür? Odetta/Detta braucht keinen großen Hintergrund im Sinne eines Plots, in den Roland eingreift, ist sie doch mit ihrer gespaltenen Persönlichkeit Plot genug. Lediglich die Auflösung enttäuscht ein wenig, da hier mehr Gedanken dahinter stecken, als wir zu Gesicht bekommen.

Im dritten Teil um Jack Mort wird das Tempo nochmals deutlich erhöht. Der Revolvermann entschließt sich - nicht ohne Konsequenzen (in tot.) -, Jake zu retten. Dann benutzt er Morts Körper, um einerseits Munition und andererseits Arzneimittel zu ergattern. Die Spannung wird hier unerträglich, das aber im Guten Sinne und Roland hat auch gute Gründe, so lange in unserer Welt zu verweilen. Leider zielt das Ganze auf die Vereinigung von Odetta und Detta zu Susannah ab, welche mich, wie gesagt, wenig überzeugte, sodass dieser starke Teil an einem etwas seltsamen Punkt enden muss. So scheint King selbst verwirrt zu sein, schließlich bezeichnet er Susannah als die dritte "gezogene" Person, obwohl jedem Leser diese Lesart wie Quatsch vorkommen muss, da alleine Odetta und Detta, wenn man denn nun so zählen möchte, zwei Plätze eingenommen hätten. Der nächste Band beweist das dann auch, wodurch King seine eigene Beschreibung etwas ad absurdum führt.

Beim ersten Lesen liebte ich diesen Roman für seine schnelle Erzählung und einfangende Atmosphäre. Beim zweiten Mal, mit der Hilfe der Reflexion, fällt mir zunehmend auf, dass Stephen King eigentlich fast alle Fehler aus "Schwarz" wiederholt. Wir haben immer noch keine Ahnung, wie die Welt Rolands aufgebaut ist, der Turm ist wie Rolands Heroin, allerdings bleibt er gestaltlos. Nicht einmal eine epische Geschichte ist ihm dieses Mal gelungen. Trotzdem würde ich Drei empfehlen, denn er schafft, was in "Schwarz" noch unausgegoren war: Der Autor erzählt eine gute Geschichte. Zwar sind mir viele kleine Schrammen aufgefallen, letzten Endes ist die Erzählung aber gut genug, dass man über diese hinwegsehen kann, lediglich die Nachbereitung deckt sie auf. Mit guter Hoffnung kann man nach vorne blicken, denn wir sind dem Turm wieder ein Stück näher gekommen.

1Stephen King, Drei S. 119
2Mal ernsthaft: Was ist mit diesen Übersetzungen los? Wenigstens sind wir dieses Mal nahe dran, beim ersten Band (Schwarz = The Gunslinger?) war das schon grenzwertiger. Der Höhepunkt folgt natürlich noch.


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