Montag, 2. November 2015

Kurzkritik: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult - Manfred Lütz

Passenderweise ist vor Kurzem ein weiteres Buch dieses Autors erschienen (Wie Sie unvermeidlich glücklich werden), sodass ich aus gegebenen Anlass über das erste reden kann, das ich damals las. Schon lange Zeit wollte ich mir Lebenslust nochmals zu Gemüte führen, ergriff dann die Möglichkeit mit einem billigen Antiquariatsexemplar.

Wer Manfred Lütz liest, wird grundsätzlich auf drei verschiedene Seiten treffen: Den Theologen (z.B. Gott - Eine kleine Geschichte des Größten), den Arzt (z.B. Das Leben kann so leicht sein) und den Psychotherapeuten (z.B. Irre! - Wir behandeln die Falschen). Dabei darf diese Abgrenzung aber nicht allzu streng gesehen werden, immer wieder fließen Aspekte des einen in die anderen Bereiche. Dies merkt man stärksten bei Bluff! - Die Fälschung der Welt, welches als eine Art Synthesen aus seinen ihm eigenen drei Seiten gesehen werden kann.

Hier handelt es sich definitiv um den Arzt, der schreibt, obwohl sich der Theologe auch einschleicht. Für Lütz steht die moderne Sicht der Gesundheit, die Verklärung zum höchsten aller Güter, am Pranger. Dabei geht er in bester Dürrenmattscher Manier vor und lullt den Leser zuerst mit unglaublich lustiger Polemik und Satire ein, damit er auf die ernsten Konsequenzen für Leib und Leben, Ethik und Moral darstellen kann.

Inhaltlich würde ich im Nachgang diesem seiner Werke den Vorzug vor allen anderen geben, zeigt es doch den stärksten Inhalt. Höchstens Gott - Eine kleine Geschichte des Größten kommt noch im Entferntesten dran, allerdings fehlt selbst diesem die persönliche Note, denn es ist zwar eine tolle Darstellung von Argumenten, doch in Lebenslust werden die Konsequenzen für jeden Einzelnen, wie es beispielsweise in den besten Romanen der Fall ist, auf unbeschreibliche Weise klar vor Augen geführt.

Für mich hat das Buch aber noch eine andere Relevanz. Wenn ich daran denke, wie mir mein Katholizismus beigebracht wurde, ließe er sich am besten im Sinne der neuen Übersetzung von C.S. Lewis' Mere Christianity beschreiben: "Pardon, ich bin katholisch"1 Man mag seinen Glauben haben, grundsätzlich hat der aber nichts Positives und eigentlich muss man sich kontinuierlich dafür entschuldigen und rechtfertigen. Manfred Lütz hat mir eine andere Möglichkeit gezeigt, den eigenen Glauben zu sehen, eben mit einem gewissen Stolz. Dieser Stolz ist dabei weit entfernt von Überheblichkeit, bezieht sich viel eher auf eine Tradition der Weisheit, die nicht das Resultat einer einzelnen Person ist, sondern unter Mitwirkung der gesamten Kirche entstanden ist. Vor ca. drei Jahren war das für mich der erste Schritt, meinen Glauben auf diese Weise anzunehmen.

Allein dafür erhält dieses Buch einen speziellen Platz in meinem Herzen. Letztendlich handelt es sich aber auch um eine schonungslose Abrechnung mit dem Gesundheitswesen, oder zumindest dessen neue Manifestation.


1Anstelle der geschickteren und passenderen Übersetzung, schließlich kann ich mir nicht vorstellen, dass Lewis sich für seinen Glauben entschuldigt hätte, von Christentum schlechthin heißt es modernerweise Pardon, ich bin Christ.

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