Samstag, 29. August 2015

Kurzkritik: Dracula - Bram Stoker

Hören Sie die Kinder der Nacht? Was für Musik sie machen!1
An dieser Stelle muss ich einmal etwas gestehen: "Dracula" ist einer von zwei Romanen, die ich zwar angefangen, aber nie zu Ende gelesen habe. Der andere ist der vierte Band der "Per Anhalter durch die Galaxis" - Reihe. Zu meiner Verteidigung: Letzteres wurde mir vom Autor selbst auf der Seite angeboten.
Offensichtlich ist es mir nun gelungen, diesen Klassiker des Horrorgenre zu vollenden. Man versteht nach der Lektüre sofort, warum Stoker einen Klassiker geschaffen hat. Man kommt nicht umhin, seine Fantasie von diesem Roman beeinflussen zu lassen und möchte selbst in diesen Mythos eintauchen. In diesem Sinne trifft der Begriff voll  und ganz zu. Leider trifft das nicht durchgängig auf die Qualität des Briefromans zu. In meiner Wahrnehmung gibt es nur einen Teil, der über allen Zweifeln erhaben ist. Dabei handelt es sich um die ersten 70 Seiten, in denen Jonathan Harker, einer unserer Protagonisten, im Schloss Dracula nächtigt und en passant die grundlegendsten Eigenschaften des Nosferatu, also Vampirs, darlegt. Sowohl in meiner Erinnerung meines ersten Versuches als auch beim erneuten Lesen, blieb mir diese Stelle am besten im Gedächtnis. Der Aufbau der Atmosphäre ist makellos und erzeugt eine unvergleichliche Erfahrung. Wenn die Szenerie sich nach London verschiebt, flacht das ganze etwas ab. Es ist nicht wirklich schlecht, es fehlt aber das Gefühl der Dringlichkeit, schließlich beschäftigen wir uns gut 100 Seiten mit den drei Verehrern von Lucy Westenra, bevor die Ankunft des Grafen uns aufschreckt.
Den letztendlich schwersten Fehler beging Stoker aber mit einem Fehlgriff im Stil. Das Werk ist, wie gesagt, ein Briefroman und besteht vornehmlich aus Tagebucheinträgen. Allerdings fehlt jedem Autor ein individueller Stil, sodass Mina genauso schreibt wie ihr Mann Jonathan oder Dr. Seward. Das mag funktional sein, dadurch geht aber entscheidend Atmosphäre verloren, denn der Kunstgriff scheint nicht vollends durchdacht zu sein, wodurch sein Effekt nicht vollends ausgenutzt werden kann.
So sollte Dracula zusammen mit Frankenstein und Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde als Klassiker des Horrorgenre angesehen werden, obwohl gewisse Abstriche im Stil gemach werden müssen, die sich entscheidend auf die Atmosphäre auswirken.

1Bram Stoker, Dracula S.30

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