Mittwoch, 26. August 2015

Kurzkritik: Zur Lage des Glaubens - Joseph Ratzinger

Tatsache ist, dass wir heute alle glauben, wir wären so gut, dass wir nichts anderes als den Himmel verdienen würden! Hierfür trägt gewiss eine Kultur die Verantwortung, die mit mildernen Umständen und Alibis versucht, den Menschen den Sinn für ihre Schuld, irhe Sünde zu entziehen. Jemand hat bermerkt, dass die heute vorherrschenden Ideologien von einem gemeinsamen Grunddogma getragen seien: der hartnäckigen Leugnung der Sünde, das heißt gerad jener Wirklichkeit, mit der der Glaube an die Hölle, an das Fegefeuer verknüpft ist.1

Bei "Zur Lage des Glaubens" handelt es sich um einen Interviewband von Vittorio Messori, das er mit Joseph Ratzinger geführt hatte, dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation. Aufmerksam bin ich auf das Buch durch ein anderes "Interviewbuch" geworden, dieses erschien allerdings ein paar Jahre später unter dem Namen Crossing the Threshold of Hope und wurde mit dem damaligen Papst Johannes Paul II. geführt. Im Vorwort beschreibt der Journalist, wie er dazu gekommen ist, mit dem Papst ein Interview führen zu sollen - das Resultat waren mehr Fragen, die der Papst in seiner Freizeit beantwortete. Dabei gibt er als einer der Gründe seine Autorenschaft von "The Ratzinger Report" an, dem vorliegenden Band.
Vielleicht kennt der ein oder andere die anderen Ratzinger-Interviewbücher, welche in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Peter Seewald entstanden sind. Wer ähnlich erhellende Antworten auf konkrete Fragen auch hier erwartet, wird nicht enttäuscht. Allerdings muss man ein wenig vor dem Stil gewarnt werden. Peter Seewald hält seine Bücher streng in Dialogform, wie man ein Interview gewöhnt ist. Vittorio Messori hingegen schreibt in einer italienischen Art und obwohl Ratzinger selbst oft und lange zu Wort kommt, zeichnet sich diese Art dadurch aus, dass der Journalist das geführte Gespräch zusammenfasst, wodurch sich Prosa und direkte Rede ständig abwechseln. Dies kann von dem ein oder anderen - wie mir - eine gewisse Einarbeitszeit abverlangen.
Wichtig bleibt aber der Inhalt. Dieser scheint zwar etwas stärker als bei Seewald in der Zeit verwurzelt zu sein - hier die frühen 80er -, denn Themen wie die Theologie der Befreiung und das II. Vatikanische Konzil werden konkret besprochen. Aber es sind eben nicht nur diese Themen, auch Sachen zu allgemeinen Themen wie Fegefeuer und die Bedeutung von Maria stehen im Zentrum der Ausführungen Ratzingers. Wenn man aber mich fragt, so sind die speziellen Fragen der Zeit ein wertvoller Teil des Buches, zeigen sie doch eine interessante Perspektive auf Themen, die in der öffentlichen Wahrnehmung immer seltsam verklärt erscheinen. Grundsätzlich kann dieser "Report" also allemal gelesen werden.

P.S. Auch die drei Peter Seewald Bücher sind empfehlenswert. Salz der Erde ist eine kritischere Auseinandersetzung, in der der Präfekt den meisten modernen Vorwürfen  Rede und Antwort zu stehen hat. Gott und die Welt wird von mir immer der "kleine Katechismus" genannt, da es so weitläufig in seinen Themen und tiefgründig in seinen Antworten ist. Licht der Welt hingegen ist in einer Sache mit dem besprochenen Werk verwandt: Es bespricht ebenso konkrete Anliegen der Zeit, hierbei geht es um die Skandale in der Zeit von Ratzingers Papsttum. Wer jedoch nur dieses Anliegen in dem Buch finden sollte, müsste das ein oder andere Kapitel nochmals lesen.

1 Joseph Ratzinger, Zur Lage des Glaubens S. 152

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