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Sonntag, 3. Juli 2016

Zitat am Sonntag

"Die arme Fanny! Sie hätte ihn nicht so schnell vergessen können."
"Ich glaube Ihnen, dass sie dies bestimmt nicht getan hätte", erwiderte Anne leise und volle Mitgefühl.
"Es hätte ihrem Wesen ganz und gar nicht entsprochen. Sie verehrte ihn über alle Maßen."
"Es würde dem Wesen jeder Frau widersprechen, die aufrichtig liebt."
Captain Harville lächelte, als wollte er sagen: 'Nehmen Sie dies für Ihr Geschlecht in Anspruch?'
Und Anne beantwortet die Frage, wobei sie ebenfalls lächelte: "Ja, wir vergessen Sie bestimmt nicht so schnell, wie Sie uns vergessen. Vielleicht ist das mehr unser Schicksal als unser Verdienst. Wir können nicht anders. Wir leben still und zurückgezogen zu Hause, und unsere Gefühle lassen uns nicht los. Sie aber können nicht untätig sein. Sie haben Ihren Beruf und immer diese oder jene Aufgaben und Pflichten, die Sie unverzüglich in die Welt zurückrufen; und dauernde Beschäftigung und dauernder Wechsel schwächen alle Eindrücke ab."
[...]
"Ich kann den Büchern keine Beweiskraft zugestehen."
"Wie sollen wir dann aber irgend etwas beweisen?"
"Wir sollen gar nichts beweisen. Wir dürfen nicht erwarten, dass wir in diesem Punkte je irgend etwas beweisen können. Die Verschiedenheit unserer Ansichten lässt keinen Beweis gelten. Wahrscheinlich beginnt jeder von uns mit einem kleinen Vorurteil zugunsten seines eignen Geschlechts, und um dieses Vorurteil bestätigt zu sehen, halten wir alle Ereignisse in unserem Umkreis fest, die dazu dienlich sein können; viele dieser Ereignisse und vermutlich diejenigen, die uns am meisten beeindrucken, mögen gerade derart sein, dass man sie nicht erzählen kannn, ohne eine bestimmte Überzeugung damit zum Ausdruck zu bringen oder in gewisser Hinsicht etwas zu sagen, was eigentlich nicht gesagt werden sollte."

Jane Austen, Überredung S. 279ff (282)

Sonntag, 26. Juni 2016

Zitat am Sonntag

When we think of all the work, big with promise of the future, that went on in those centuries which modern writers in their ignorance used once to set apart and stigmatize as the 'Dark Ages'; when we consider how the seeds of what is noblest in modern life were then painfully sown upon th esoil which Imperial Rome had prepared; when we think of the various work of a Gregory, a Benedict, a Boniface, an Alfred, a Charlemagne, we feel that there is a sense in which the most brilliant achievements of pagan antiquity are dwarfed in comparison with these."
Fiske: The Beginnnings of New England, or the Puritan Theocracy in its Relations to Civil and Religious Liberty
zitiert in:
James Walsh, Medieval Medicine

Sonntag, 19. Juni 2016

Zitat am Sonntag

Aber der Witz ist nicht nur eine Waffe. Man kann den Gegner damit nicht nur aus dem Hinterhalt beschießen, man kann ihn durch einen Witz auf auf elegant Art entwaffnen. In seiner sublimsten Form stiftet der Witz Frieden im hitzigsten Kampf. Auch dafür ein Beispiel:
Staatsgespräche werden protokolliert. So liegt etwa das Konkordatsgespräch Napoleons als Protokoll vor, wo es um eine Abmachung zwischen Staat und Kirche ging. Nun war Napoleon bekanntermaßen ein Kirchenhasser. Er war entschlossen, der katholischen Kirche den Todesstoß zu versetzen, und hatte tatsächlich den Papst gefangen nehmen lassen (- was nicht weiter tragisch war; man hat einfach einen  neuen Papst gewählt).
Jedenfalls - der Kirchenhasser Napoleon empfängt den Vertreter der katholischen Kirche, Kardinal Ercole Consalvi, und merkt sofort, dass dieser Consalvi ihm intellektuell überlegen ist. Das regt ihn maßlos auf. Der kleine Korse springt auf und brüllt: "Eminenz, wissen Sie nicht, dass ich, Napoleon Bonaparte, die Kirche zerstören kann?!" Worauf Consalvi wortwörtlich antwortet: "Sire, die Kirche zu zerstören, haben in all den Jahrhunderten wir Bischöfe nicht geschafft. Das schaffen Sie auch nicht."
Willibert Pauels, Wenn dir das Lachen vergeht, S. 200f

Sonntag, 12. Juni 2016

Zitat am Sonntag

Dennoch ist es eine Sache von äußerster Gefährlichkeit, der Arbeit diesen Charakter absprechen zu wollen. Durch diese Fiktion, Arbeit "diene" nicht primär zu etwas anderem, geschieht genau das Gegenteil von dem, was man zu tun meint oder vorgibt. Es geschieht genau das Gegenteil einer "Befreiung" oder "Rehabilitierung" des arbeitenden Menschen. Es geschieht präzis das, was die Unmenschlichkeit der totalen Arbeitswelt tatsächlich ausmacht: die endgültige Fesselung an den Produktionsprozess, der selber als die in sich sinnvolle Verwirklichung menschlichen Daseins verstanden und proklamiert wird.
Josef Pieper, Muße und Kult, S.106

Sonntag, 5. Juni 2016

Zitat am Sonntag

"Die Mühe ist das Gute" - gegen diese Meinung hat Thomas von Aquin in der Summa theologica die These gesetzt: "Das Wesen der Tugend liegt mehr im Guten als im Schweren"; "nicht also muss alles, was schwerer ist, auch verdienstlicher sein, sondern es muss auf solche Weise schwerer sein, dass es zugleich auch auf höhere Weise gut ist". Das Mittelalter hat von der Tugend etwas gesagt, das uns Landsleuten Kants nur schwer eingeht: Sie setze uns in den Stand, unserer natürlichen Neigung - Herr zu werden? Nein, so würde Kant formulieren; und uns allen liegt dieser Gedanke nahe. Nein, Thomas sagt: die Tugend vervollkommne uns dahin, unserer natürlichen Neigung zu folgen, auf die rechte Weise. Ja, die höchsten Verwirklichungen des Sittlich-Guten seien dadurch gekennzeichnet, dass sie mühelos gelängen - weil es zu ihrem Wesen gehöre, aus der Liebe hervorzugehen. Aber selbst bis in den Begriff der Liebe hinein ist jene Überwertung der Mühe und des Schweren noch wirksam.
Josef Pieper, Muße und Kult S.68f

Sonntag, 29. Mai 2016

Zitat am Sonntag

From Salerno come many of the traditions of the conferring of degrees which are still used in a large number of modern medical schools. Before receiving his degree, the candidate had to take an oath, of which the following were the principal tenets: "Not to contradict the teaching of his college, not to teach what was false or lying, and not to receive fees from the poor even though they were offered; to commend the sacrament of penance to his patients, to make no dishonest agreement with the druggists, to administer no abortifacient to the pregnant, and to prescribe no medicament that was poisonous to human bodies.
James J. Walsh, Medieval Medicine, Chapter 3, p. 15

Sonntag, 22. Mai 2016

Zitat am Sonntag

Hundert Schlachten zu schlagen und hundert Siege zu erringen, ist nicht ein Zeichen von Perfektion. Wer den Feind ohne Schlacht besiegt, versteht sich wirklich auf die Kriegführung.
Sun-Tzu, Die Kunst des Krieges

Sonntag, 15. Mai 2016

Zitat am Sonntag

Ja, aber das werde ich nie tun, weil Schuld und Sühne, das ist schon das Werk eines anderen. Man redet oft über die Regisseure in Hollywood, die literarischen Meisterwerke verunstalten. Ich habe nicht die Absicht, je so etwas zu tun. Ich lese eine Geschichte nur einmal. Wenn mir die Grundidee zusagt, übernehme ich sie, ich vergesse das Buch vollkommen und mache Kino. Ich wäre völlig  außerstand, Ihnen die Geschichte von The Birds von Daphne du Maurier zu erzählen. Ich habe sie nur einmal, ganz schnell, gelesen. Was ich nicht verstehe, ist, dass jemandsich eines Werkes total bemächtigt, eines guten Romans, an dem ein Autor drei oder vier Jahre geschrieben hat und in dem sein ganzes Leben steckt. Man fummelt daran herum, verschreibt sich ein paar erstklassige Techniker, und schon ist man Kandidat für einen Oscar, während der Autor im Hintergrund verschwindet. An ihn denkt keiner mehr.
- Francois Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, S. 60

Sonntag, 8. Mai 2016

Zitat am Sonntag

Ich glaube, dieses Zusammentreffen stört unsere Freunde, die Wahrscheinlichkeitskrämer. Es geht nicht um eine Unwahrscheinlichkeit, sondern um eine außergewöhnliche Situation. Sie ist der Gipfel an Außergewöhnlichem.
Es gehört in die Kategorie "altmodische Situationen" oder "veraltete Geschichten". Ich möchte Ihnen dazu eine Frage stellen: Weshalb ist es veraltet, eine Geschichte zu erzählen, eine Handlung zu verwenden? Ich glaube, an den französischen Filmen gibt es gar keine Handlung mehr.
Das ist kein Prinzip, aber es ist eine Tendenz, die man der Entwicklung des Publikums zuschreiben kann, dem Einfluss des Fernsehens, dem zunehmenden Übergewicht an dokumentarischen und journalistischen Stoffen in der Unterhaltungsindustrie. Alles das entfernt die Leute von der Fiktion und macht sie misstrauisch den alten Formeln gegenüber.
Das heißt, die Kommunikationsmittel haben sich derart entwickelt, dass wir dazu neigen, uns von der Handlung zu entfernen? Das mag sein, Ich bin selbst davon nicht frei, und ich würde heute auch einen Film lieber auf einer Situation als auf einer Geschichte aufbauen. 
- Francois Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, S. 199f

Sonntag, 1. Mai 2016

Zitat am Sonntag

Während sich dies und anderes zutrug..., ward Abraham durch das Gebot, seinen heißgeliebten Sohn Isaak zu opfern, versucht... Als wessen Gleichnis? Nun dessen, den der Apostel in den Worten nennt: "Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern ihn für uns alle dahingegeben" Darum mußte auch Isaak, wie der Herr sein Kreuz, selbst das Holz, auf das er gelegt werden sollte, zur Opferstätte tragen. Endlich ein letzter bezeichnender Zug.Was hatte, als Isaak nicht getötet werden sollte und der erhobene Arm des Vaters zurückgehalten wurde, jener Widder zu bedeuten durch dessen Schlachtung und sinnbildlich vergossenes Blut das Opfer vollendet ward? Als Abraham ihn sah, hing er mit den Hörnern in einem Dornstrauche. Wen anders also bildete er ab als Jesus, den die Juden vor seiner Opferung mit Dornen krönten? ... Und der Engel des Herrn rief Abraham abermals vom Himmel und sprach: "Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der Herr, weil du solches getan hast und hast deines geliebten Sohnes nicht verschont um meinetwillen, will ich dich wahrlich segnen und deinen Samen mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und dein Same soll besitzen die Städte seiner Feinde und durch deinen Samen sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden, weil du meier Stimme gehorcht hast." So ward jene Verheißung, im Samen Abrahams würden die Heidenvölker berufen werden, nach dem auf Christus hinweisenden Opfer auch noch durch einen Schwur Gottes bekräftigt.
Augustinus, Hans Urs von Balthasar (Hrsg.), Der Gottesstaat S.138

Sonntag, 24. April 2016

Zitat am Sonntag

So darf man nicht sagen, daß , wenn Gute und Böse dasselbe Schicksal trifft, darum zwischen ihnen kein Unterschied sei, weil in ihrem Ergehen vielleicht kein Unterschied zu finden ist. Bei aller Gleichheit der Leiden bleiben die Leidenden doch ungleich, und mag auch die Plage dieselbe sein, sind doch Standhaftigkeit und Haltlosigkeit nicht dasselbe... Darum schmähen  und lästern die Bösen Gott in derselben Trübsal, in der die Guten ihn anrufen und preisen. Nicht was, sondern wie jeder leidet, darauf kommt es vor allem an. Denn vom gleichen Lufthauch berührt, läßt der Kot abscheulichen Geruch, das Salböl lieblichen Duft aufsteigen.
Augustinus, Hans Urs von Balthasar (Hrsg.), Der Gottesstaat S. 108

Sonntag, 17. April 2016

Zitat am Sonntag

Only neither the villein nor the farm labourer did starve. It has never been an economic proposition for an owner of cattle to starve his cows, so why should an owner of slaves starve them?
T.H. White, The Sword in the Stone, p. 227

Sonntag, 10. April 2016

Zitat am Sonntag

Alles das war aber nicht der einzige Gewinn, den Perikles aus dem Umgang mit Anaxagoras zog. Wahrscheinlich lernte er auch von ihm, sich über jeden Aberglauben hinwegzusetzen, durch den bei Himmelserscheinungen so viele in Angst und Schrecken versetzt werden, weil ihnen die Ursachen unbekannt sind. Diese Unwissenheit ist schuld daran, dass man vor den höheren Gewalten so zittert und bangt. Davon befreit uns die Kenntnis der Natur, un zugleich begründet sie in uns, statt des törichten Aberglaubens, eine auf  Vertrauen ruhende Gottesfurcht. [...]
Mir scheint übrigens, dass beide, der Naturforscher wie der Wahrsager, recht haben konnten, da der eine die Ursache des Wunderzeichens, der andere aber dessen Bedeutung richtig angegeben hatte. Der Forscher hatte das Woher und Wieso, der Deuter Zweck und Sinn der Erscheinung zu untersuchen. Wer behauptet, dass die Auffindung der Ursache zugleich die Bedeutung aufhebt, bedenkt nicht, dass er mit den göttlichen Zeichen zugleich auch die künstlichen, von  Menschen ersonnenen Zeichen Zeichen außer Wirkung setzt, wie zum Beispiel die Lichter von Feuersignalen, die Schatten der Sonnenuhren und dergleichen, alles Dinge, die eine bestimmt Ursache haben und dabei mit Absicht verfertigt sind, um irgend etwas zu bedeuten. 
- Plutarch, Große Griechen und Römer - Perikles

Sonntag, 3. April 2016

Zitat am Sonntag

Der König! Ich glaubte, er sei Philosoph genug, um zu begreifen, dass es in der Politik keinen Mord gibt. In der Politik, mein Lieber, Sie wissen es so gut wie ich, gibt es keine Menschen, sondern Ideen, keine Gefühle, sondern Interessen. In der Politik tötet man nicht einen Menschen, man beseitigt ein Hindernis, weiter nichts.

-  Alexandre Dumas, Der Graf von Monte Christo, S.127

Sonntag, 27. März 2016

Zitat am Sonntag

What in the twentieth century perhaps comes closest to the working-class revolution were the events in Poland of 1980-81: the revolutionary movement of industrial workers (very strongly supported by the intelligentsia) against the exploiters, i.e., the state. ANd this solitary example of a working-class revolution (if indeed it may be counted as such) was directed against a socialist state, and carried out under the sign of the cross with the blessing of the Pope.[...]
As for the so-called materialist interpretation of history, it has provide us with a number of interesting insights and suggestions, but it has no explanatory value. In its strong, rigid version, for which there is considerable support in many classic texts, it implies that social development depends entirely on the class struggle, which ultimately, through the intermediary of changing 'modes of production,' is determined by the technological level of the society in question. It implies, moreover, that law, religion, philosophy and other elements of culture have no history of their own, since their history is the history of the realtions of production. This is an absurd claim, completely lacking in historical grounds.
If, on the other hand, the theory is taken in a weak, limited sense, it merely says that the history of social struggles and conflicting interests, and that political institutions depend in part, at least negatively, on technological development and on social conflicts. This, however, is an uncontroversial  platitude which was known long before Marx. THus the materialist interpretation of history is either nonsens or a platitude.
Leszek Kołakowski, What is Left of Socialism, zitiert aus Kołakowski, Is God Happy?, S.65ff

Sonntag, 20. März 2016

Zitat am Sonntag

Seit der Enzyklika "Pascendi dominici gregis" von 1907, die dem "Modernismus" den Kampf angesagt hatte - "De falsis doctrinis modernistarum" -, waren "Modernismus" und Antimodernismus" zu Feldstandarten einer Geisterschlacht nicht nur im Katholizismus geworden. Den Antimodernisten ging es nicht einfach darum, die kirchlichen Dogmen(z.B. die "Unbefleckte Empfängnis") und die Prinzipien der klerikalen Hierarchie (z.B. die Unfehlbarkeit des Papstes) zu verteidigen. So haben es ihre Gegner gerne dargestellt und deshalb im Antimodernismus nichts anderes gesehen als eine gefährliche oder gar lächerliche Verschwörung von Dunkelmännern gegen den wissenschaftlichen Geist der Zeit, gegen Aufklärung, Humanismus und Fortschrittsideen jeglicher Art.
Doch daß man Antimodernist sein konnte, ohne zum Obskuranten werden zu müssen, zeigt das Beispiel Carl Braig - ein scharfsinniger Kopf, der die unreflektierten Glaubensvoraussetzungen in den verschiedenen Spielarten der modernen Wissenschaftlichkeit aufdeckte; was sich glaubenslos und voraussetzungslos dünkte, das wollte er aus seinem "dogmatischen Schlummer" aufwecken. Die sogenannten Agnostiker, sagte er, haben auch einen Glauben, allerdings einen besonders primitiven und hausbackenen: den Glauben an den Fortschritt, an die Wissenschaft, an die biologische Evolution, die es angeblich so gut mit uns meint, an ökonomische und historische Gesetze... Der Modernismus sei, so Braig, "geblendet für alle, was nicht sein Selbst ist oder nicht seinem Selbst dient", die Autonomie des Subjektes sei zu einem selbstgezimmerten Gefängnis geworden. Braig kritisiert an der modernen Zivilisation die mangelnde Ehrfurcht vor dem unausschöpflichen Geheimnis einer Wikrlichkeit, deren Teil wir sind und die uns umgreift. Wenn der Mensch sich anmaßend in den Mittelpunkt stellt, so bleibt ihm am Ende nur noch ein pragmatisches Verhältnis zur Wahrheit: 'Wahr' ist, was uns nützt und womit wir praktischen Erfolg haben. Dagegen nun Braig: "Die geschichtliche Wahrheit, wie alle Wahrheit - am siegreichsten leuchtet hier die mathematische Wahrheit auf, die strengste Form der weigen Wahrheit - ist vor dem subjektiven Ich und ohne dasselbe... So wie das Ich der Vernunft die Vernünftigkeit der Dinge insgesamt ansieht, so sind sie nicht in der Wahrheit... und kein Kant ... wird das Gesetz abändern, das dem Menschen gebietet, sich nach den Dingen zu richten."

Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland - Heidegger und seine Zeit, S30f

Sonntag, 13. März 2016

Zitat am Sonntag

Gerne dien ich den Freunden,
doch tue ich es leider mit Neigung,
Und so wurmt es mir oft, daß ich nicht tugendhaft bin.
Da ist kein anderer Rat, du mußt suchen sie zu verachten,
Und mit Abscheu alsdann tun, wie die Pflicht dir gebeut.
Friedrich von Schiller über die Moralphilosophie Kants

Sonntag, 6. März 2016

Zitat am Sonntag

Aber wie eigenartig: Das Bewusstsein, das vorn der Freiheit eine Gasse bahnen will, betreibt hintenherum eine Art Freiheitsberaubung im großen Stil. Das Bewusstsein, das Freiheit will, scheint so genau wie nie zuvor darüber Bescheid zu wissen, von welchen gesellschaftlichen oder natürlichen Bestimmungsgründen das vermeintlich freie, spontane Handeln umzingelt ist. Das ist Modernität: Freiheitsverlangen und zugleich das Wissen um ein notwendiges Sein, wie es die Wissenschaften uns vorhalten; eine eigenartige Melange aus naiver Spontaneität und illusionslosem Zynismus. Die Zangenbewegung von Soziologie und Psychoanalyse beispielsweise lässt eigentlich keinen Raum mehr für Freiheit, in der Selbstinterpretation erscheinen wir als ökonomische Charaktermaske , als soziale Rolle und als Triebnatur - eine unaufhörliche Blamage für jedes Freiheitsbewusstsein. Trotzdem bleibt das Freiheitsverlangern lebendig, gerade auch bei denen, die sich gut darauf verstehen, ihre Spontaneität soziologisch und psychoanalytisch zu "hinterfragen". Vielleicht hängt das damit zusammen , dass das Freiheitsverlagnen den Mut und die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, übersteigt. Man will die Freiheit, alles mögliche zu tun, frei Bahn für die Bedürfnisbefriedigung, aber wenn es schlecht läuft, wenn es gilt, Folgelasten zu tragen, dann hat die diskursive Freiheitsberaubung ihre große Stunde: Man kann erklären , dass es so hat kommen müssen, und ist die Verantwortung los. Die entwickelte Kultur des Erklären-Könnens operiert in einer bedenklichen Grauzone: Die Übergänge vom Erklären zum Entschuldigen sind fließend. Man kann das nachträgliche Erklären-Können sogar schon an den Beginn einer Handlung setzen im Sinne einer präventiven Absolution für den schlechten Fall. Man antizipiert ihn und bereitet sich schon darauf vor, "es nicht gewesen zu sein".
Rüdiger Safranski, Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie, S. 456f

Sonntag, 28. Februar 2016

Zitat am Sonntag

Ich wuste, dass es eine Quelle war, weil man auf dem Grund das Wasser hervorsprudeln sah, aber sie war viel größer, als Quellen sonst sind. Sie war wie ein sehr großes rundes Bad, zu dem Marmorstufen hinunterführten. Das Wasser war glasklar und ich dachte, wenn ich hineingehen und baden würde, dann würde das den Schmerz in meinem Bein vielleciht ein wenig lindern. Aber der Löwe sagte mir, ich müsse mich zuerst ausziehen. Ich weiß nicht, ob er die Worte aussprach oder nicht.
Ich wollte gerade sagen, ich könne mich nihct ausziehen, weil ich keine Kleider anhätte, als mir plötzlich einfiel, dass Drachen schlangenartige Lebewesen sind und dass Schlangen ihre Haut abwerfen können. Natürlich, dachte ich, das ist es, was der Löwe gemeint hat. Deshalb fing ich an mich zu kratzen und überall begannen die Schuppen abzugehen. Und dann kratzte ich ein wenig tiefer und statt der Schuppen ging plötzlich die ganze Haut ab, wie nach einer Krankheit oder wie bein einer Banane. Nach ein oder zwei Minuten stieg ich einfach aus der Haut heraus. Ich konnte sie neben mir liegen sehen. Sie sah ziemlich ekelhaft aus. Es war ein herrliches Gefühl. Ich ging hinunter in die Quelle um zu baden.
Aber gerade als ich meine Füße ins Wasser stellen wollte, blickte ich nach unten und sah, dass sie so hart und rau und faltig und schuppig waren wie zuvor. Oh, das macht nichts, sagte ich mir. Das bedeutet nur, dass ich darunter noch einen kleineren Anzug anhabe und dass ich den auch noch ausziehen muss. So kratzte und riss ich also noch einmal und auch diese zweite Haut ging ausgezeichnet ab. Ich stieg heraus und legte sie neben die andere und ging zur Quelle hinunter zu meinem Bad.
Aber genau dasselbe passierte wieder. Und ich dachte mir, meine Güte, wie viee Häute muss ich wohl noch ausziehen? Denn ich konnte es kaum erwarten, mir die Beine zu baden. Deshalb kratzte ich ein drittes Mal und riss eine dritte Haut ab, genau wie die beiden anderen, und stieg aus ihr heraus. Aber als ich mich im Wasser anschaute, wusste ich , dass es keinen Zweck gehabt hatte.
Dann sagte der Löwe - aber ich weiß nicht, ober tatsächlich redete: 'Ich werde dich ausziehen müssen.' Ich hatte ziemliche Angst vor seinen Tatzen, das kann ich dir sagen, aber ich war inzwischen völlig verzweifelt. Deshalb legte ich mich einfach flach auf den Rücken und ließ ihn machen .
Der erste Riss war so tief, dass ich dachte er ginge bis ins Herz. Und als er begann mir die Haut abzuziehen, da schmerzte es schlimmer als alles, was ich jemals gespürt habe. Ich konnte es nur deshalb aushalten, weil es sich so gut anfühlte, als das Zeug abging. Weiß du - es ist so, wie wenn man bei einer Wunde den Schorf abreißt. Es tut weh wie verrückt, aber es ist so schön, wenn man sieht, wie er abgeht. 
C.S. Lewis, Die Reise auf der Morgenröte S. 92f

Sonntag, 21. Februar 2016

Zitat am Sonntag

Die Welt, die ich baue, ist nicht gut -
aber ich bau' keine böse Welt.
Ist das genug?
Karol Wojtyła, Der Gedanke ist eine seltsame Weite S.21