Mittwoch, 20. Januar 2016

Sing once again with me: Dracula - Das Musical

Würde man mich nach meinen Lieblingsmusicals fragen, würde ich drei Stück nennen: Das Phantom der Oper, Chess - und Dracula. Die ersten beiden sind relativ bekannt (vor allem das Phantom), aber Dracula scheint eher unter dem Radar zu laufen. Was auch damit zusammenhängt, dass die englische Version ein Flop war. Ich habe sie mir mal angehört und kann das auch ein wenig nachvollziehen, denn sie klingt irgendwie kitschig und die Texte wirken auf deutsch, in der Übersetzung, natürlicher als im Original - ich verteidige lyrisch ja fast immer die englische Sprache, dies ist ein seltenes Beispiel für das Gegenteil.

Grundsätzlich brachte ich diesem Musical eine gehörige Portion Skepsis entgegen. Für mich lief es unter einem - wie mir gesagt wurde - Scherz im Musical-Business, wonach es von allem ein Musical gibt. Ja, auch davon. So konnte ich mir die Handlung von Dracula überhaupt nicht in dieser Form vorstellen. Nach kurzem Reinhören wandte sich das aber in volle Begeisterung. Ich liebe die Texte, Sänger und die Musik. Dazu mische man noch eine klasse Bearbeitung der Vorlage, welche ein brillantes Wechselspiel zwischen der klassischen Versuchung und der eigentlich ethisch richtigen Antwort darstellt, und man erhält ein wunderbares Kunstwerk. Vor allem imponierte mir dabei die Qualität der Lieder. Normalerweise hinterlassen Musicals einen ähnlichen Nachgeschmack wie viele Alben. Zwar gibt zwei oder drei Höhepunkte, der Rest besteht jedoch eher aus mittelmäßigem Geplätscher. Schaue ich mir zusätzlich die gesamte Handlung an, fügen sich die Lieder zumindest in diese ein, höre ich mir jedoch nur den Soundtrack an, verfällt dieser Vorteil. So überraschte mich, dass ich nicht nur stets andere Lieblingslieder in diesem Musical entdecke, sondern mir auch durchweg das gesamte Stück anhören kann. Trotzdem bin ich nicht hier, um nur zu loben. Vielmehr geht es mir darum, die kleinen Schnitzer dieses ansonsten gelungenen Werkes zu bemängeln.

Insgesamt missfallen mir zwei Dinge, wobei sich eines davon an zwei Stellen äußert, grundsätzlich handelt es sich aber um denselben Fehler. Das gesamte Musical handelt von Versuchung, der Graf fasst es kurz vor Ende mit "Du bleibst für immer jung und schön" zusammen. Problematisch wird es nun, wenn eine der Figuren dieser nachgibt, denn dann befinde ich mich faktisch in einer anderen Geschichte. Man kann darüber genauso etwas erzählen, darf dann aber nicht weiter die Frage stellen, ob man dem Verführer erliegt. Aber genau das wird an zwei Stellen getan. Erst gibt Jonathan den Vampirbräuten nach, übrigens nach einem wunderschönen Duett mit seiner Verlobten, was einerseits die Figur unliebsam macht und andererseits die gesamte Intention des Werkes gefährdet. Aber auch seine Frau Mina gibt Dracula später nach. Dabei sollte sie eigentlich bis zum Ende zweifeln, ob sie dem Grafen folgen soll oder nicht. Vor allem stört mich immer wieder daran, wie einfach diese zwei Stellen zu beheben sind, man schneidet maximal zwei Minuten an Musik und repariert das gesamte Stückt.

Dann kommt natürlich das Ende. Kurz zuvor singt der Graf noch mit der Inbrunst der Überzeugung "Ein Leben mehr und du entkommst dem kühlen Grab/ brauchst kein Gebet, steigst nicht ins Totenreich hinab/ spart euch den Psalm, weint einem anderen hinterher/ denn die Gnade, die ich gewähr', wiegt unendlich mehr/ Ein Leben mehr!" Daraufhin wird er in "Je länger ich lebe" plötzlich, ohne jede Motivation, melancholisch und wünscht sich im Finale letztendlich den Tod. Somit widersteht Mina nicht der Verführung, der Verführer hat einfach seine Lust verloren.

Alles in allem ist Dracula trotzdem ein markantes Musical, bis auf diese Stellen genieße ich es immer wieder gerne. Dann konzentriere ich mich einfach auf die Musik und die Sänger und ignoriere die eigentliche Handlung.

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